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Ist Behinderung ein Gender?

Behindert gelesene Person

Defizitäre Identität.
Weiblich, männlich, alles und nichts.
Diverse Eigenschaften
in weiblichem Körper,
überlagert von Behinderung.

Geschlecht war ein Kampf
am Scheideweg der Pubertät.
Überhaupt eines zu haben.
Überhaupt wahrgenommen zu werden.
Vielleicht sogar begehrt,

Als Mensch gelesen zu werden,
mit Bedürfnissen und Wünschen.
Nicht reduziert zu werden,
auf ein einziges Attribut,
das mich langweilt und Andere verunsichert.

Geschlecht stand mir nicht zu,
war nicht vorgesehen,
wurde nicht gesehen,
bis ich keines mehr wollte
und dann auch keines fand.

Soll ich mich einordnen,
bin ich aus dem Rennen,
verweigere Schubladen.
Wenn überhaupt, dann divers.
Aber vielleicht auch nur nichts.

Konglomerat

Empathisch, altruistisch,
selbstsicher, dominant.
Verhuscht und pessimistisch,
oft laut und angespannt.

Zurückgenommen, leise,
die Lösung stets bereit,
beobachtend und weise,
erwarte Dankbarkeit.

Sensibel und zerbrechlich,
aktiv und aufgeweckt,
unsicher, unaussprechlich,
von Zweifeln unbeleckt.

Verloren, schutzlos suchend,
vom Ego überzeugt,
vor Wut unflätig fluchend,
den Kopf angstvoll gebeugt.

Geborgenheit vermissend,
für Andere ein Fels,
den Jolly Roger hissend
als Tier im dicken Pelz.

Auf Sammetpfoten schleichend
bin ich doch ein Pirat.
Mit Holzbein, niemals weichend,
in Sorge vor Verrat.

Wann werden sie es merken?
Mein Leben ist nur Show.
Nur Zufall, all die Stärken,
ich tue doch nur so.

So stolz und überheblich,
vollkommen ungeschützt,
das Risiko belebt mich,
als ob mir Leichtsinn nützt.

Die Gischt zaust meine Haare,
die Flagge weht im Wind.
Ob ich jemals erfahre,
was meine Träume sind?

Künstlerin

Portrait Lea Heuser

Lea Heuser ist Kommunikationswissenschaftlerin, freiberufliche Texterin und Übersetzerin für Leichte und Einfache Sprache, Geschäftsführerin des Aachener Welthauses und Aktivistin für Klima, Frieden und Inklusion. Sie
ist Jahrgang 1981, seit ihrer Geburt annähernd blind und seit ihrem 25. Lebensjahr an Multipler Sklerose erkrankt. Als Bloggerin veröffentlicht sie unter Texte unterschiedlichster Gattungen, von Lyrik und Kurzgeschichten über persönliche, mal mehr und mal weniger philosophische Gedanken bis hin zu Produkten ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für verschiedene Akteur*innen.

Das Thema Gender beschäftigt sie schon ihr halbes Leben lang seit ihrem Engagement im Frauenprojekt an den Aachener Hochschulen und anderen queer-feministischen Zusammenhängen. Wie kompliziert es mit ihrer eigenen Geschlechtsidentität tatsächlich ist, wurde ihr erst nach und nach, endgültig sogar erst durch dieses Kunstprojekt bewusst. Sie spielt in ihren hier beigetragenen Gedichten zum Einen mit dem Einfluss ihrer Behinderung auf die Entwicklung ihrer Geschlechtsidentität und zum Anderen mit Zuschreibungen, Eigenschaften und dem wirren und bisweilen unlogischen Konglomerat, das sich für eine Person ergibt, die gefühlt zwischen allen Stühlen sitzt.

Blog https://kommunikatz.wordpress.com/blog

Lea Heuser is a communication scientist, freelance copywriter, and translator for plain and accessible language, managing director of the Aachener Welthaus, and an avid climate, peace, and inclusion activist. She was born in 1981, has been almost blind since birth, and has been affected by multiple sclerosis since 25. As a blogger, she publishes texts of various genres. They range from poetry and short stories over personal, sometimes more and sometimes less philosophical reflections to articles from her press and public relations work for various actors and actresses. 

The issue of gender identity has been present throughout her life, starting when she got involved in the Women’s Project at the Aachen Universities and other queer-feminist contexts. 

Her complicated relationship with her own gender identity surfaced only gradually, and ultimately, through participating in this art project. The poems she wrote for this exhibition show, on the one hand, how her disability has shaped her entire gender identity development. On the other hand, she plays with attributions, assignments, characteristics, and the confused, and sometimes illogical conglomeration that emerges from a person who feels caught in the middle.

Zur Übersichtsseite Alle Gender – Online-Kunstausstellung.

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