gesprächswert

Besser kommunizieren in einer diversen und digitalen Welt
Training. Beratung. Text.

Woher kommen die Namen Palästina und Israel?

Wer sind denn nun die Indigenen in der Region, die heute Israel-Palästina hei´ßt? Woher kommt der Name Palästina, woher der Name Israel? Und wann fängt die Geschichte an?
Dieser Blogbeitrag nimmt dich mit auf eine Zeitreise und eine kritische Reflexion von Begrifflichkeiten, über die heute viel gestritten wird. Und von denen viele denken, sie wüssten, was wahr ist. Wir leben in einer Welt voller Ideologien, Polarisierung, Aktivismus und zahlloser Narrative, die die „Wahrheit“ für sich beanspruchen. Aber was ist wahr? Wie erkennst du, was Fakt ist und was Fake?

Ein wichtiger Schritt, den du gehen kannst: Emotionen rausnehmen, mit Neugier der Sache auf den Grund gehen, kritisch hinterfragen. Die Begriffe Israel und Palästina bedeuteten im Laufe der Zeit sehr unterschiedliche Dinge. Starten wir unsere Zeitreise im Hier und Jetzt:

Es war einmal ein heiliges Land…

Jerusalem gilt als heilige Stadt. Alle drei großen monotheistischen Weltreligionen – Judentum, Christentum, Islam – haben hier ihnen heilige Stätten.

  • Für Jüdinnen und Juden sind es die Klagemauer und der Tempelberg.
  • Für Christinnen und Christen sind es die Grabeskirche, der Garten Gethsemane und Ölberg sowie die Via Dolorosa, der Weg zur Kreuzigung.
  • Für Muslima und Muslime sind es die Al-Aqsa-Moschee, der Felsendom und der Tempelberg.

Außerdem leben in Israel religiöse Minderheiten, wie die Drusen, Samaritaner und Baháʼí. Dazu kommen christliche, muslimische und jüdische Konfessionen mit eigenen Namen (Kopten, Armenier, Ahmadiyya, Karaïten).

Diercke-Weltatlas schreibt:

Recherche kostet Zeit

Ich investiere viel Arbeitszeit in meine Blogbeiträge, beachte journalistische Kriterien und stelle viel weiterführende Information zur Verfügung. Das alles stelle ich kostenlos für alle zur Verfügung – ohne bezahlte Werbung auf meiner Seite. Aber natürlich muss auch ich im Supermarkt mit Euros bezahlen. Daher freue ich mich, wenn du meine ehrenamtliche redaktionelle Arbeit unterstützt.

Die Altstadt von Jerusalem, 1981 von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt, wird durch eine Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert begrenzt. Unter dem osmanischen Sultan Süleyman dem Prächtigen erbaut, gibt sie diesem Stadtteil mit seinem jüdischen, christlichen, armenischen und muslimischen Viertel seine heutige Form. Innerhalb dieser Mauern liegen auf engstem Raum die heiligen Stätten der drei monotheistischen Weltreligionen.

Website von Diercke Weltatlas Jerusalem-Altstadt

Die Graphic Novel „Aufzeichnungen aus Jerusalem“ von Guy Delisle erzählt aus den 00er Jahren vom Nahost-Konflikt aus der Perspektive eines Expats und Familienvaters in Jerusalem, dessen Frau in Bethlehem arbeitet. Er erzählt, wie die Spanungen und Unruhen in den Alltag eingreifen, den komplexen Passier-Regeln in der Gegend der heiligen Stätten und wie er sich – je nach Situation und Religion auf Freitag, Samstag oder Sonntag als heiligen Tag und Ruhetag einstellen muss.

Aber was davon ist ursprünglich? Wer war zuerst da?

Ist Israel ursprünglich jüdisch, christlich oder muslimisch?

Ursprünglich gab es keine der drei monotheistischen Weltreligionen, sondern zahlreiche polytheistische Mythen, Glaubenswelten und Kulte. Wir kennen das in Europa von den alten griechischen und römischen Göttern. Auch die Pharanonen-Verehrung in Ägypten hatte viele Gottheiten. Im Rheinland verehrten die Menschen mit dem Matronenkult drei Göttinnen, bevor sie von den Römern christianisiert wurden.

Die Ethnien, Volksgruppen, Stämme im heutigen Israel/Palästina hießen: Kanaaniter, Israeliten, Philister, Phönizier, Assyrer… Sie lebten in der Gegend, die als fruchtbarer Halbmond bezeichnet wird und Israel/Palästina, Libanon, Teile Ägyptens, Iraks und Syriens umfasst.

Wann entstand das Judentum?

Die Anfänge des Judentums als erster monotheistischer Religion datieren – je nach Quelle – auf etwa 1.500 bis 2.000 vor Christus (abgekürzt BC, before Christ). Es geht um die sogenannte Patriarchenzeit mit Abraham, Isaac und Jakob. Auf sie geht aber nicht nur das Judentum zurück, sondern auch das Christentum und der Islam, die sich alle nacheinander entwickelten.

Menschen begannen, an einen Gott Jahweh zu glauben, wobei es Nebengötter gab, deren Verehrung aber zunehmend abgelehnt wurde.

Die Exodus-Geschichte aus der Bibel – bleibt unbelegt

In der biblischen Erzählung lebten Israeliten etwa im 13. Jahrhundert BC rechtlos in Ägypten (Sinai-Gebiet). Im zweiten Buch Mose heißt es, rund 600.000 Männer plus Frauen und Kinder seien aus Ägypten weg nach Kanaan (heutiges Israel-Palästina). Das ist historisch jedoch nicht belegt. Manche gehen von kleineren Migrationswellen aus. Andere sagen, es gab eher Konflikte innerhalb der Stämme Kanaans, zu denen die Israeliten zählten. Vermutlich beides.

Was jedoch belegt ist, dass sich etwa im 11. Jahrhundert BC das Königreich Israel und Juda formte – mit den Königen Saul (ca. 1047–1007 BC), David (ca. 1007–970 BC) und Salomo (ca. 970–930 BC). Während die Gründung Israels in biblischen Texten emotional und identitätsstiftend aufgeladen ist, gehen die meisten Archäolog*innen und Historiker*innen heute davon aus, dass die Entstehung eher ein allmählicher Prozess der Sesshaftwerdung lokaler kanaanäischer Völker war, die ihre eigene Identität und Religion entwickelten.

Karte zeigt die Königreiche Israel und Judah in dem Gebiet des heutigen Israel-Palästina
Quelle: Wikipedia, Richardprins, CC BY-SA 3.0

Ursprünge Israels und des Judentums

Nach Salomos Tod (ca. 926 BC) zerfiel das vereinigte Reich in Nord-Israel und Süd-Juda. Es gab also zwei Staaten, die beide Jahweh verehrten, aber untereinander Rivalitäten pflegten. Während Israel neben Jahweh auch andere Kulte tolerierte, fokussierte sich Juda auf Jerusalem als zentralen Ort. Und beide stritten darüber, was nun die wahre Gottes-Verehrung sei.

Die Migrationsbewegungen gingen weiter, ebenso die wechselnden Herrschaften. Ab etwa 597 BC eroberten die die Babylonier Judäa. Infolge dessen, wurden viele Jüdinnen und Juden – insbesondere aus der Oberschicht – ins Exil nach Babylonien vertrieben, umgesiedelt, deportiert. Und du merkst schon: Je nachdem, welches Verb ich benutze, bekommt die Geschichte einen anderen Dreh.

Tabelle Herrscher über Israel-Palästina in vorchristlicher Zeit Zeitraum Reich ca. 18. – 12. Jahrhundert v. Chr. Altbabylonisches Reich ca. 16. – 12. Jahrhundert v. Chr. Hethiterreich ca. 9. – 7. Jahrhundert v. Chr. Neuassyrisches Reich ca. 626 – 539 v. Chr. Neubabylonisches Reich (Chaldäer) ca. 550 – 330 v. Chr. Achämenidenreich (Persisches Reich) 330 v. Chr. Makedonisches Reich erstellt mit Gemini

586 BC zerstörten die Babylonier den ersten jüdischen Tempel auf dem Tempelberg in Jerusalem. Für die noch junge Religion wurde dies zum wichtigen Datum. Der Verlust ihres Tempels und zentralen Kultortes sowie das Exil zwangen sie dazu, ihre religiöse Praxis neu zu erfinden. Der Fokus richtete sich fortan auf Schriften und Gesetze. Die Tora rückte in den Mittelpunkt. Es entstanden Vorformen der Synagoge als Versammlungsort für Gebet, Lesung und Studium, unabhängig von Jerusalem. Das Judentum wurde diaspora-fähig.

Und während ich in der Geschichte wühle, zwischen religiösen Erzählungen, historisch belegten Fakten und vielen Bezeichnungen, von denen ich zwar schon mal gehört habe, die ich aber nicht genau zuordnen kann, dreht sich mir der Kopf. Es gab ein Israelisches Königreich. Das wurde von den Assyrern niedergeschlagen. Dann kamen die Babylonier (ab 626 BC), dann das Persische Reich (ab 550 BC), was letztlich von den Griechen (ab 332 BC) eingenommen wurde, bevor dann die Römer (ab 63 BC) kamen.

Woher kommt der Name Israel?

Als erste außerbiblische Erwähnung von Israel gilt die Merneptah-Stele von etwa 1208 vor Christus. Und auch hier zeigt sich, wie politsche Interessen Einfluss darauf nehmen, wie ein Fakt dargestellt wird. Je nach Perspektive im Nahost-Konflikt: Die einen interpretieren sie als Beweis dafür, dass es Israel seit 3000 Jahren gibt, die anderen sagen, diese Stele sei der einzige alt-ägyptische Beleg für die Existenz Israels. Mir sind beide Perspektiven politisch zu aufgeladen.

Halten wir also fest: Es gab eine ethnische Bezeichnung Israeliten. Sie sprachen (alt-)hebräisch und siedelten vor allen Dingen in den Regionen Galiläa und Judäa. Ebenso gab es eine ethnische Bezeichnung Kanaaniter, wobei Israeliten und Kaaniter keine getrennten Ethnien waren, sondern es Überschneidungen gibt. Beziehungsweise die Bezeichnung Kanaaniter allgemeiner ist und Israeliten spezifischer. Aus den Israeliten gingen das Königreich Israel und Juda sowie die Religion Judentum hervor.

Seit wann gibt es Araber und wo haben sie Ihren Ursprung?

Und was ist mit den Arabern? Gab es zu dieser Zeit (2000 bis 800 BC) noch keine Araber oder lebten sie woanders? Wenn ja, wo? Bei solchen Dingen sind Grok und Gemini wirklich eine Hilfe. Das alles selbst via Google zusammenzusuchen, wäre mega aufwendig. So finde ich schnell die wesentlichen Eckdaten, kann mir vertrauenswürdige Quellen suchen und nachprüfen.

Der Begriff Araber tauchte ab etwa 900 BC in Texten auf. Er bezeichnete nomadisch oder halb-nomadisch lebende Beduinen-Stämme. Sie lebten auf der nördlichen Arabischen Halbinsel (Saudi-Arabien, Süd-Jordanien, Negev, Sinai). Araber zogen mit ihren Herden durch die Wüste und handelten mit Weihrauch, Gewürzen und Tieren. Bezeichnungen für arabische Stämme waren Qedariter, Nabatäer-Vorfahren und andere.

In Galiläa, Judäa und Samaria (wo heute Israel/Palästina liegen) gab es damals noch keine Araber. Die Araber lebten in einer anderen Region (in den Wüstenregionen südlich von Israel). Sie kamen bestenfalls als Händler oder mit ihren Karawanen in der Gegend vorbei.

Israel-Palästina unter römischer Herrschaft

Ab etwa 63 BC stand die Region, zu der heute Israel/Palästina zählt, unter römischer Herrschaft. Die römischen Provinzen Judäa, Galiäa und Samaria bezeichnen die geografischen und ethnischen Kerngebiete Israels. Sie behielten ihre Namen, wurden aber verwaltungsrechtlich nach und nach in die große römische Provinz Syrien eingegliedert oder ihr militärisch unterstellt.

Es gab immer wieder Aufstände der jüdischen Bevölkerung gegen die römische Herrschaft, die jedoch niedergeschlagen wurden. Der letzte große jüdische Aufstand war der Bar-Kochba-Aufstand 132 bis 135/136 nach Christus (abgekürzt AD, after Christ). Auch dieser wurde von den Römern niedergeschlagen. Kaiser Hadrian wollte die Provinzen von ihrer namentlichen Verbindung mit dem Judentum löschen und benannte sie um in Palästina. Palästina wählte er nicht zufällig, sondern um Jüdinnen und Juden zu demütigen.

Palästina bedeutet „Land der Philister“. Philister als ethnische Gruppe gab es zu dieser Zeit keine in der Region. Aber sie spielen in der jüdischen Glaubenserzählung eine wichtige Rolle. Denn der israelitische Hirtenjunge David kämpft im Alten Testament gegen den riesigen Philister-Krieger Goliath und besiegt ihn mit einer Steinschleuder.

Woher kommt der Name Palästina und wer waren die Philister?

Der Begriff „Palästina“ geht also zurück auf die Philister, ein Seefahrervolk, das etwa 1.200 bis 600 vor Christus in der Küstenregion von Israel/Palästina lebte. Philster von einst haben aber rein gar nichts mit den Palästinensern von heute zu tun. Die Philister waren weder arabisch noch israelitisch, sondern ein nicht-semitisches Seefahrervolk mutmaßlich aus der Ägäis (Kreta, Zypern, Anatolien), also Griechen und Türken. Sie gingen durch Assimilation und Vermischung in der kanaanitischen Bevölkerung auf.

Karte zeigt das Reich Herodes des Großen Judäa im 1. Jahrhundert vor Christus, mit den Provinzen Judäa, Samaria und Galiläa. Das Gebiet umfasst das heuteige Israel-Palästina mit Teilen Syriens und Jordaniens.
Quelle: Wikipedia, erstellt von Thomas Ihle, freie Dokumentationslizenz

Der Beginn des Christentums in Judäa und Galiäa

Unter König Herodes fällt die Zeit, als Jesus lebte, also der Mensch, auf den sich die zweite große monotheistische Weltreligion begründet. Ob er nun in Bethlehem geboren wurde, wie es das Neue Testament erzählt oder in Nazareth, was Historiker*innen für wahrscheinlicher halten, seine Existenz ist glaubwürdig belegt.

Belegt ist auch, dass er umherzog, Leute um sich scharte und offenbar eine Mission hatte. Das ist unabhängig davon, wie Jesus bezeichnet wird, ob Gottes Sohn, Prophet, Wanderprediger, Ketzer, Revolutionär oder Influencer.

Historisch ebenfalls glaubwürdig ist, dass er deshalb hingerichtet wurde. Nach seinem Tod formieren sich seine Anhänger*innen und es entwickelt sich eine neue Religion, das Christentum – zunächst von den Römern verfolgt, später dann von ihnen verbreitet.

Das heißt: Die gesamte Provinz Syrien-Palästina war zunächst eine multi-religiöse Gesellschaft aus Judentum, antiken griechischen und römischen Kulten, Christentum. Nachdem der byzantinische Kaiser Konstantin das Christentum ab 313 AC tolerierte und es von späteren byzantinischen Kaisern (380 AC) zur Staatsreligion erhoben wurde, breitete es sich zur Mehheitsreligion aus.

Und wann kommt nun der Islam ins Spiel?

Anders als das Judentum und das Christentum entstand der Islam nicht in der Region Israel/Palästina, sondern viel weiter im Süden, in Mekka, Saudi-Arabien. Dort lebte von etwa 570 bis 632 AC ein Mann namens Mohammed, der Muslimen heute als oberster und wichtigster Prophet gilt. Seine erste Offenbarung wird datiert auf etwa 610 AC. Das ist also die Geburt der muslimischen Religion Islam.

Der Prophet Mohammed war nicht nur der religiöse Verkünder (Prophet), sondern auch der politische, militärische und juristische Führer der ersten muslimischen Gemeinschaft (Umma) in Medina (ab 622 AC). Nach Mohammeds Tod entstand das System der Kalifen (Nachfolger) mit ihren Kalifaten. Das heißt, der frühe Islam hat nicht nur einen spirituellen, sondern auch einen politischen Anspruch.

Nach dem Tod des Propheten Mohammed (632 AC) begannen arabisch-muslimische Armeen mit der Expansion außerhalb der Arabischen Halbinsel. Bereits 634 AC feierten sie Siege gegen das mehrheitlich christliche Syrien-Palästina. Die Schlacht am Yarmūk (syrisch-jordanisches Grenzgebiet) 636 AC gilt als Wendepunkt. Die byzantinische Hauptarmee wurde geschlagen, was den Weg für die Eroberung der Levante (des Orients) freimachte. 637 oder 638 AC nahmen die Truppen des Kalifen ʿUmar ibn al-Chattāb Jerusalem ein.

Mit diesen Eroberungen wurde die gesamte Region unter die Herrschaft des islamischen Kalifats gestellt. Die arabischen Eroberer, bestehend aus Beduinenstämmen und Siedlern, wurden zwischen 634 und 640 AC zur neuen politischen und militärischen Elite der Region. 691 AC bauten sie den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem. Der Prozess der tiefgreifenden religiösen Umwandlung zur muslimischen Mehrheitsgesellschaft dauerte jedoch wesentlich länger (200 bis 300 Jahre).

Immer wieder Krieg im Nahen Osten

Also fassen wir kurz zusammen. Das heutige Israel-Palästina war von Anfang an multi-ethnisch und multi-religiös. Und es war die Wiege der ersten monotheistischen Religion, dem Judentum. Die Juden wurden von den Römern niedergeschlagen und die Region im Laufe der byzantinischen Herrschaft mehrheitlich christlich. Im 7. Jahrhundert AC kamen dann die Araber und islamisierten den gesamten Orient.

Friedlich wurde es auch weiterhin nicht. So gab es Streitigkeiten und Abspaltungen innerhalb der Umma. Ab dem 11. Jahrhundert schlugen dann die Christen mit blutigen Kreuzzügen zurück. Damn kamen die Mongolen, die Ägypter, die Osmanen.

Von 1517 bis 1831 gab es während des Osmanischen Reiches eine relative Stabilität. Es gab lokale arabische Clans, jüdische und christliche Minderheiten. Und Jerusalem war die heilige Stadt aller drei Religionen.

Es folgten eine erneute ägyptische und wieder eine osmanische Herrschaft. Ab Ende des 19. Jahrhunderts begannen die ersten Einwanderungswellen jüdischer Menschen, die aus Osteuropa vertrieben wurden.

Woher kommt die palästinensische Identität?

Palästinenserinnen und Palästinenser waren also lange alle Menschen, die in dieser Region lebten, ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit. Was wir heute unter Palästina und einer palästinensischen Identität verstehen, entwickelte sich erst nach dem Ende des zweiten Weltkrieges ab den 1960er Jahren.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts siedelten wieder vermehrt jüdische Menschen in der Gegend, oft aufgrund von Vertreibungen und Pogromen – sowohl in Europa wie auch in arabischen Ländern. Im Zuge dessen gewann die zionistische Idee eines jüdischen Staates an Zustimmung. Erst recht, nachdem die von Nazideutschland ausgehende Shoah 6 Millionen Jüdinnen und Juden in Ermordungsfabriken tötete, unzählige andere enteignete, einsperrte, folterte, vertrieb.

Vertrieben wurden Jüdinnen und Juden aber nicht nur aus Europa, sondern auch aus arabischen Staaten. Es gibt nicht nur die palästinensische Nakba, sondern auch die jüdische. Seit 1948 wurde etwa eine Million jüdischer Flüchtlinge aus arabischen Staaten und seit 1979 aus dem Iran vertrieben.

Soviel habe ich über die jüdische Geschichte gelernt. Sie ist eng verbunden mit Pogrom-Erfahrungen, Flucht und Vertreibung. Insofern ist die Sehnsucht nach einem sicheren Ort mehr als verständlich.

Vom britischen Mandatsgebiet zum UN-Teilungsplan

Im Zuge des 1. Weltkrieges fiel das Gebiet an die Briten. 1917 endete die osmanische Herrschaft. Die Gegend standt unter britischer Militärverwaltung und wurde 1920 zum Völkerbund-Mandat Palästina.

Dabei gab es immer wieder gewalttätige Ausschreitungen zwischen arabischen und jüdischen Gemeinschaften – etwa über den Zugang zur Klagemauer in Jerusalem und den Zugang zu den heiligen Stätten – oder auch schlicht um Land. 1937 schlug die Peel-Kommission die erste offizielle Zweistaaten-Lösung vor. Die aber wird von den Arabern abgelehnt.

1947, nach dem Ende des 2. Weltkrieges schließlich sieht die UN-Resolution 181 einen Teilungsplan vor. 56 Prozent des Gebietes sollen eine jüdischen, 43 Proeznt einen arabischen Staat und Jerusalem sollte international verwaltet werden. Er wurde mit 33 zu 13 Stimmen angenommen. 1948 wird der Staat Israel gegründet. Die Konflikte aber halten an.

Karte zeigt den UN-Teilungsplan von 1947, der die Region in jüdische und arabische Gebiete unterteilt sowie die Grenzen zu Ägypten, Jordanien, Syrien und dem Libanon
Grafik: wikimedia | U.S. CIA | gemeinfrei – von der Landeszentrale für politische Bildung BW

Eine palästinensische Identität, wie wir sie heute kennen, entwickelte sich ab den 1960er Jahren. Im Zuge von Kriegen und Vertreibung entwickelte sich eine Art Zugehörigkeitsgefühl, dass sich von anderen Arabern unterschied. Damit wurde die palästinensische Identität geboren und die Idee von Palästina als arabisch-muslimischen Staat. Mit der Gründung der PLO 1964 hatte diese Idee nun auch ihre identitätsstiftende Vertretung. mit dem Ziel, alle „Palästinenser“ zu vertreten und Palästina zu „befreien“. Es folgte eine gewalttätige Zeit, die sowohl unter Israelis wie unter Palästinensern viele Opfer forderte

Der Wind of Change wehte nur kurz

Nach dem friedlichen Niederreißen der deutsch-deutschen Mauer, der Wiedervereinigung, von Glasnost und Perestroika und der Freilassung Nelson Mandelas nach ^26 Jahren Haft und der Abschaffung der Apartheid in Südafrika, wehte in der ersten Hälfte der 1990er Jahre ein Wind of Change, ein Wind der Hoffnung auf Freiheit, Frieden und Demokratie durch die Welt.

Und dieser erreichte auch den Nahen Osten. In den 1990er Jahren wäre es beinahe gelungen, einen dauerhaften Frieden zwischen Isarel und der PLO zu organisieren. Die Friedensgespräche führten zu den beiden Oslo-Abkommen. Ikonisch ist der Händedruck zwischen Yitzhak Rabin und Yasser Arafat 1993 im Beisein des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton. 1994 bekamen Rabin, Arafat zusammen mit Shimon Peres den Friedensnobelpreis.

Das Oslo-II-Abkommen von 1995 enthielt detaillerte Vereinbarungen über den schrittweisen israelischen Rückzug und die Aufteilung des Westjordanlandes in A-, B- und C-Zonen. Dann er Schock: Im November 1995 wird Rabin von einem rechtsextremen, jüdischen Aktivisten ermordet. Und der Friedensprozess lief in eine Sackgasse, die in erneute Gewalt auf beiden Seiten mündete.

Weitere Friedensbemühungen scheiterten. Auf beiden Seiten gewannen die Scharfmacher an Zustimmung.

Am 7. Oktober 2023 dann verübten rechte Hamas-Terroristen ein Pogrom an Jüdinnen und Juden, ausgrechnet an denen, die nichts mit rechts-gerichteten Siedler*innen im Westjordanland gemein hatten, sonderen eher in Oppostion zu Netanjahu und seiner rechten Koalition stehen. Die jungen Menschen beim Rave-Festival und die Familien in den Kibuzzen, die von der Hamas gefoltert, gedemütigt, abgeschlachtet und verschleppt wurden, waren weitgehend linke Israelis, die friedlich mit Palästinenser*innen zusammenleben wollen.

Es war der schlimmste Angriff auf Jüdinnen und Juden seit der Shoah. Und entprechend reagierte Israel mit seinen Angriffen auf Gaza. Während Israelis vor Bomben in Bunker fliehen, gibt es Tunnel in Gaza nur für die Hamas-Terroristen. Zivlisit*innen bekommen von der Hamas keinen Schutz. Das wäre gegen ihr Propaganda-Interesse, braucht sie doch Bilder von zivilen Opfern für ihren hybriden Krieg im Internet.

Wer sind denn nun die Indigenen in Israel-Palästina?

Wer sind also nun die Indigenen in der Region Israel-Palästina? Indigen sind weder palästinensische Araber noch russisch-stämmige Juden. Beide Gruppen sind im Laufe der Geschichte in diese Gegend eingewandert und haben dort gesiedelt.

Allerdings siedelten dort schon vor 3.000 Jahren Europäer*innen, ob nun Griechen oder Philister und später Römer. Ab dem 7ten Jahrhundert kamen Araber, dann Ägypter, Osmanen, dann Ost-Europäer und Briten.

Die Region um den fruchtbaren Halbmond ist eine der am ältesten besiedelten Gebiete außerhalb Afrikas und eine Wiege unserer Zivilsation. Es gab wechselende Herrscher und die unterschiedlichen Gruppen kämpften nicht nur gegeneinander, sie trieben Handel, kooperierten und zeugten miteinander Kinder.

Curd Jürgens bringt es als General Carl Zuckmayer im Film „Des Teufels General“ auf den Punkt, als er den rheinischen Stammbaum beschreibt:

So dass sich zusammenfassend schlussfolgern lässt: Nicht eine Ethnie ist dort indigen, sondern der Mensch mit all seinen guten – und leider auch seinen bösen – Eigenschaften. Und wenn Sophie von der Tann sagt, das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 habe „eine Vorgeschichte“ gehabt, hat sie natürlich recht. Aber wo fängt die Geschichte an? Bei der Vertreibung der Jüdinnen und Juden aus Jerusalem und Judäa durch die Römer? Bei der Eroberung und Islamisierung der Region durch die Araber? Beim antisemitischen Ideologie-Transfer durch die Nazis? Oder erst in der 2ten Hälfte des 20. Jahrhunderts?

Und was lernen wir aus der Geschichte?

Die Levante, also die Gegend zu der heute Israel, Palästina, aber auch Syrien oder Irak zählen, ist seit vielen Tausend Jahren besiedelt, lange bevor es überhaupt Juden, Christen oder Muslime gab. Alle drei Weltreligionen haben im Nahen Osten ihren Ursprung.

Deshalb möchte ich zum Schluss an ein Buch erinnern, dass wir wieder öfters lesen sollten – und das meiner Meinung nach verpflichtend in den Schulkanon gehört: „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing. Hier eine Zusammenfassung dieses wichtigen Werkes der Aufklärung im Video:

In diesem Sinne: Seid friedlich. Bleibt Mensch. Egal ob und an welchen Gott oder welche Göttin ihr glaubt.

Ich wünsche mir wieder mehr von dem, was Bläck Fööss in „Unsere Stammbaum“ besingen

Ich wor ne stolze Römer, kom met Caesars Legion.
Un ich ben ne Franzus, kom mem Napoleon.
Ich ben Buur, Schreiner, Fescher, Bettler un Edelmann,
Sänger un Gaukler, su fing alles an.

Refrain:
Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing,
dat es jet, wo mer stolz drop sin.

Bläack Föös, Unsere Stammbaum, Songtext 1. Strophe und Refrain

https://www.koeln-istanbul.de/wp-content/uploads/2020/09/Unser-Stammbaum.pdf. Und für alle, die kein Kölsch können, steht daneben die hochdeutsche Übersetzung.

Ich bin weder Archäologin noch Historikerin der Frühgeschichte des Nahen Ostens. Nur furchtbar neugierig und ein bisschen nerdy by nature. Wenn ich was wissen will, will ich was wissen. Ich recherchiere, hinterfrage, recherchiere weiter, prüfe auf Plausibilität. Zur Recherche habe ich Standard-Google, Grok und Gemini genutzt. Im Folgenden eine Liste der verwendeten Quellen.

Quellen


A. D. Godley, Ed.: Herodotus, The Histories, https://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:text:1999.01.0126:book=2:chapter=104

Agranat-Tamir, L., Waldman, S., Martin, M. A. S., et al.: The Genomic History of the Bronze Age Southern Levant, 2020, Cell, 181(5), 1146–1157.e11, https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(20)30487-6

Bildungsserver Rheinland-Pfalz: Religionsgeschichte Israels, https://bildung.rlp.de/fileadmin/user_upload/rfb.bildung.rlp.de/Evangelische_Religion/Sasse/Themen/Gott/Geschichte.pdf

Britannica: Judäa, https://www.britannica.com/place/Judaea

Diercke Weltatlas: Jerusalem Altstadt, https://diercke.de/content/jerusalem-altstadt-978-3-14-100902-6-189-4-1

Feldman, M., Master, D. M., Bianco, R. A., et al.: Ancient DNA sheds light on the genetic origins of early Iron Age Philistines, 2019, Science Advances, 5(7), eaax0061, https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aax0061

Heinz Halm: Die Araber. Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart, 2017, C.H.Beck, https://cdn-assetservice.ecom-api.beck-shop.de/productattachment/readingsample/14797297/22504132_leseprobe%20die%20araber.pdf

jfr: Historische JesusforschungEin Revolutionär und Prediger, aber wahrlich kein Asket, 22. Dezember 2024, DLF, https://www.deutschlandfunk.de/jesus-historische-person-fakten-wissenschaft-100.html#:~:text=Der%20echte%20Jesus:%20Was%20die%20historisch%2Dkritische%20Jesusforschung%20wei%C3%9F

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Die Geschichte Palästinas, https://www.lpb-bw.de/geschichte-palaestinas

Manning, S. W., Griggs, C. B., Lorentzen, B., et al: The late Bronze/early Iron Age chronology of the Mediterranean world: Regional growing-season 14C offsets challenge high-precision synchronisation, 2018/2019, Science Advances, 4(11), eaar8331, https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aar8331

Sophie Lange: Mystische Mütterverehrung im Wandel der Zeiten, in: Kreis Euskirchen Jahrbuch 1986, https://www.sophie-lange.de/matronenkult-und-kultplaetze/mystische-muetterverehrung-im-wandel-der-zeiten/index.php

Stephan Grigat: Flucht und Vertreibung von Juden aus den arabischen Ländern, 26. November 2020, Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/321671/flucht-und-vertreibung-von-juden-aus-den-arabischen-laendern/

Yehoshua Zlotnik: Coins minting in the Persian and early Hellenistic periods, 2015, https://www.academia.edu/77424602/Coins_minting_in_the_Persian_and_early_Hellenistic_periods

Wikipedia: Babylonisches Exil, https://de.wikipedia.org/wiki/Babylonisches_Exil

Wikipedia: Eroberung von Jerusalem. https://de.wikipedia.org/wiki/Eroberung_von_Jerusalem_(587/586_v._Chr.)

Wikipedia: Exodus (Bibel), https://de.wikipedia.org/wiki/Exodus_(Bibel)

Wikipedia: Fruchtbarer Halbmond, https://de.wikipedia.org/wiki/Fruchtbarer_Halbmond

Wikipedia: Jerusalemer Tempel: https://de.wikipedia.org/wiki/Jerusalemer_Tempel

Wikipedia: Juda (Reich), https://de.wikipedia.org/wiki/Juda_(Reich)

Wikipedia: Judäa, https://de.wikipedia.org/wiki/Jud%C3%A4a

Wikipedia: Mernptah-Stele, https://en.wikipedia.org/wiki/Merneptah_Stele

Wikipedia: Time of Jewish History, https://en.wikipedia.org/wiki/Timeline_of_Jewish_history

Wikipedia: Palästina (Region), https://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stina_(Region)

Wikipedia: Vorislamisches Arabien, https://de.wikipedia.org/wiki/Vorislamisches_Arabien

Palästina Israel | Nahost-Konflikt | Palästina Debatte, Demokratie und Medien, Diversity und Kommunikation, Glossar
Teile/Teilen Sie diesen Beitrag:
Ich möchte über Neues auf der Seite informiert werden

Ich melde mich für den Newsletter von gesprächswert an. Die Infos zum Newsletter und die Datenschutzregeln habe ich zur Kenntnis genommen und akzeptiere sie.
Als Dankeschön erhalte ich das "Rad der Macht und der Privilegien" als PNG-Datei zum Download.

Schreibe einen Kommentar