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Eine feministische Perspektive

Schöpfungsmythos, Matriarchat, Muttergöttin, Goldenes Zeitalter, Steinzeit,  Suffragetten, Jungfernzeugung, Rollenbilder – Geschichten, Gedichte und Gedanken aus feministischer Perspektive mit viel Geschichte, Biologie und Humor.

Der Schöpfungsmythos Barans

(Baran: ein matriarchales Utopia, verfasst 1993)

Alle Gender -Mythos und WirklichkeitAm Anfang entstand Gab-Btar, die Alles-Mutter, aus sich selbst. Ihr Gesang erfüllte die Himmel und gab den Sternen ihren Platz. Aus vielen Sternen formten ihre Lieder die Sonne, auf dass diese ihr Licht schenke für ihren ewigen Tanz. Als Ihren liebsten Tanzplatz wählte Gab-Btar die Erde. Laut pochte ihr Herz, die Trommel der Welt.

Aus Freude am Sein gebar Gab-Btar vier Töchter: Ischmat und Baranat, Tisron und Avuula. Ischmat, die Feurige, gibt der Sonne das Zeichen zum Aufgehen, Baranat, die Erdige, fängt die Sonne wieder auf, Tisron, die Luftige, lässt die Sonne durchziehen, Avuula, die Nasse, bleibt der Sonne fern.

Und Gab-Btar fuhr fort zu singen und zu tanzen. Ihre Lieder schufen die Berge und Meere, die Flüsse und Höhlen, die Felder und Moore. Wohin auch immer sie ihren Fuß setzte, ließ sie einen Tropfen ihres Blutes zurück, damit dort eine Quelle reinigenden Wassers entspringe.

Noch vieles schuf Gab-Btar, während sie singend und tanzend über die Erde ging: die Bäume und Sträucher, die Kräuter und Gräser, denen sie ihre nährende und heilende Liebe einhauchte.

Doch Btar sehnte sich nach Mittänzern. Also umarmte sie die Sträucher und küsste sie, und siehe da, die Sträucher verwandelten sich in Tiere: Aus den Kriechpflanzen wurden die Schlangen und Eidechsen, aus den Samenkörnern die Insekten, aus den Blättern die Vögel und aus den sich im Wind wiegenden Sträuchern die Tiere mit Fell. Da sprach Gab-Btar zu ihnen: „Aus einem seid ihr und zu einem werdet ihr. Seid euch einander Nahrung, bis ich Euch alle wieder verschlinge.“

Doch noch immer hatte Btar keine Mitsänger. Also umarmte sie die Bäume und küsste sie, und siehe da, die Bäume verwandelten sich in Menschen. Aus den Eiben und Linden wurden die Schamaninnen und Heilerinnen, aus den Birken die Künstlerinnen und Feuermacherinnen, aus den Eichen die Baumeisterinnen, aus den Eschen die Steinschlägerinnen, aus den Tannen und Fichten die Weberinnen und Gerberinnen, aus den Weiden die Korbflechterinnen, aus den Obstbäumen die Sammlerinnen und Bäuerinnen, aus den Ahornbäumen die Jägerinnen und aus den Buchen die Tierhüterinnen. Ihnen allen gab Gab-Btar eine Stimme, damit sie sie bei ihrem ewigen Gesang begleiten.

Und Gab-Btar sah, dass alle ihre Geschöpfe sich danach sehnten, ihr So-Sein in vielfacher, neuer Gestalt weiterzugeben. Also nahm sie aus jeder Art zehn Frauen, versenkte sie in einen tiefen Schlaf, fasste ihnen in den Schoß, stülpte ihre Gebärmutter nach außen und formte sie zum männlichen Glied. Dann weckte sie die jeweils zehn Männer und gab ihnen folgendes mit auf den Weg:

„Euch habe ich zu Männern gemacht. Ich habe euch die Fähigkeit genommen, Kinder zu gebären, doch ich will euch große Freude dabei geben, die Gebärmütter der Frauen zu nähren. Tut dies mit großer Achtung und nur, wenn die Frau nach Speise verlangt. Mische nun jeder seine Art, auf dass jede ein buntes Volk werde und jeder einzelne darin viele Künste entfalte. Helft euch damit gegenseitig und lebt in großer Freude miteinander. Ihr Tiere, tanzt; tanzt und singt, ihr Menschen. Euer Freudengesang erfülle meine Ohren und locke mich zum Tanz.“

Endlos war die Zeit; wer ging, kehrte wieder in neuer Gestalt. Kraftvoll waren die Gesänge, bunt die Sitten und Künste der Stämme.

Alles war gut, bis Lofeth vom Stamm der weißen Kralle auf die Einflüsterungen des schweren Erzsteines hörte. Gab-Btar hatte ihn in die Tiefen der Erde verbannt, weil sie um seine unheilvollen Kräfte wusste. Doch Borei-Warug, der Geist des schweren Erzsteines, wollte nach oben ans Licht.  Also lockte er Lofeth mit den Worten:

„Höre, Lofeth. Was gibst du dich mit dem zufrieden, was Gab-Btar dir gab? Armselig läufst du herum und hast nur das, was du brauchst. Das Zehnfache dessen kannst du haben, den Glanz der Sonne kannst du tragen auf deiner Haut, beneiden werden dich alle, die dich sehen, und jede Frau wird nur dich begehren.

Warum wartest du, bis die Männer deines Stammes den Würmern zur Nahrung werden? Töte sie und esse sie selbst! Denn dein ist die Welt. Nicht singen sollst du, sondern planvoll handeln. Töte sie der Reihe nach und sei der erste deines Stammes. Was kümmert dich der Wille der Frauen? Dein Wille sei ihr Gesetz!“

Zuerst erschrocken, fand Lofeth schließlich Gefallen an den Worten des Erzes, das er jeden Tag heimlich aufsuchte. Deshalb grub er es aus, warf es ins Feuer, wie es das von ihm verlangt hatte, und ward geblendet von dessen hartem Glanz.

Mit Lofeths Tat kam viel Unheil in die Welt. Zuerst tötete er, die Metallklinge in der Hand, die Männer seines Stammes, dann zwang er die Frauen seines Stammes, ihm ihren Schoß zu öffnen. Alle, die von ihm abstammten, hatten deshalb ein metallenes Herz, das sie dazu trieb, auch die anderen Stämme zu unterdrücken.

Bald vergaßen sie die Lieder Btars. Voll Mühsal, Kampf und Qual war nun ihr Leben – aber noch qualvoller das Leben der Stämme, denen sie begegneten. Wie eine Krankheit breiteten sie sich über die Erde aus. Zuerst litten die Menschen, dann die Tiere und zuletzt sogar die Bäume und Sträucher, Kräuter und Gräser.

Nur noch wenige Menschenstämme bewahrten sich die Lieder Btars. Wenn es sie nicht mehr gibt, wird eine Zeit der großen Reinigung kommen. Doch wie auch immer diese Reinigung aussehen wird und was auch immer danach geschehen wird, am Ende aller Zeiten wird Gab-Btar alles verschlingen und alle ihre Geschöpfe in ihr, der all-einen Mutter, wieder vereinen.

Jesu Outing

Karikatur Jesu Outing

Biedermänner

Früher, als die Zeiten noch bieder,
zwängten sich Fräulein in ein Mieder,
stets bedacht, sittsam zu halten ihre Glieder.
An Frauenhüten prangten Blumen wie der Flieder
oder Federn, wenn nicht gar ein ganzes Hutgefieder.

Heute schlüg‘ der Frauen Anblick die Biedermänner nieder.
In Jeans und Shirt, unterm Arm den ebook-Reader.
Zuhause und im Job auch anerkannt als Leader.
Gibt es wirklich Leute, denen dies zuwider?
Ich hoffe, die alten Zeiten kehren niemals wieder.

Suffragetten

Gegen der dummen Traditionen Ketten,
die Frauen machten zu Marionetten,
engagierten sich die Suffragetten.
Ihr Kampf ums Wahlrecht hatte viele Facetten.
Sie warben um Politiker in Kabinetten,
und demonstrierten wütend in Städten,
mit Spruchbändern und Plaketten;
zur Provokation rauchten sie Zigaretten.
Emily Davison konnte niemand mehr retten,
als sie vors Pferd sprang, wo andre nur wetten.
Am Ende gelang es, den neuen Trend zu setten.

So bunt treibt es die Natur

ja, Mensch, staun‘ Du nur!
Die Blattläuse kennen gar keine Männer,
Jungfernzeugung ist für sie der Renner.
In kurzer Zeit werden aus einer zwei;
bei dem Tempo ist rasch kein Blatt mehr frei.

Der ganze Bienenstaat wird geboren von einer Frau,
auch sonst übernehmen Weibchen alle Arbeiten im Bau.
Die Drohnen leben nur zum Befruchtungszweck,
danach sterben sie alle wieder weg.

Der heim‘schen Fischeart der Giebel
fehlt Geschlechterstreit als Übel.
Schwimmen artähnliche Spermien nur vorbei,
beginnen ihre Eier mit der Zellteilerei.

Der Tiefsee-Anglerfisch hängt sich als Wicht
an seine Frau, in ihr versinkt er Schicht um Schicht.
Der Kleine lebt dann sogar von ihrem Blut
und befruchtet zuverlässig ihre Brut.

Zwittrige Schnecken entscheiden ganz spontan,
wer die Dame sein wird, wer Galan.
Die Weinbergschnecke spielt dies Spiel
sogar im Wechsel, Gentausch heißt das Ziel.

Ob Mann, ob Frau wird aus des Krokodiles Ei,
bestimmen allein die Grade nach der Legerei.
Ab vierunddreißig Grad entstehen Krokodilsmänner,
bis dreiunddreißig weibliche Männerkenner.

Die Hyäne trägt ein längliches Gemächt,
mit dem sie bestimmt, ob Sex ihr recht.
Nur wenn sie will, findet Begattung statt,
Vergewaltiger setzt sie so wirksam matt.

Tausende Tierarten kennen Schwule,
nicht Kultur, Natur ist ihre Schule.
Wer auch immer die Natur erschuf,
mochte also diesen Move.

Und wie läuft es bei menschlichen Primaten?
Da ist vieles in Schieflage geraten!
Bald ende global der Männer Tyrannei!
Wie ganz früher gelte: Frei sei das Ei!

Millionen Spermien kommen auf ein Ei –
natürlich steht der Frau die Auswahl frei.
Der genetisch Fitteste soll es sein,
ideal zu ihrem Gensatz obendrein.

Bis das Kind fünf ist, mag es halten.
Danach wird die Lieb‘ erkalten
und die Frau wieder auf Auswahl schalten.

So will es die Natur seit Jahrmillionen,
warum sollte sie den Menschenmann verschonen?
Denn zum Erbgutwechsel wurde ja der Sex erfunden,
ein falscher Gott, der ’s Wohlbewährte zerschunden!

Herrschsüchtige Männer wollten Krieger haben
und machten Frauen zu Beutegaben.
Damit ein Obrigkeitstreuer sich fortpflanze,
zähle nicht Gensatz, nur Rang und Lanze!

Auch das Bauersein treibt das Unheil voran.
„Sind das wirklich meine Kinder?“, fragt der Mann.
Statt gemeinsamer Stammesjagd und Sammelei
wird hart verteidigt, was allein seines sei.

Dafür kommen alle Männer zum Zug;
der Frau muss jeder sein genug.
Früher durfte maximal jeder Dritte,
jetzt ist plötzlich Ehe Sitte.

Statt den Männern werben die Frauen.
„Bin ich schön anzuschauen?“
Die Religion erfindet gar noch allerlei,
damit die Frau dem Mann untertan sei.

Ach Göttin Natur, kommen wir wohl je wieder zurück
zu dem von Dir ersonnenen Liebesglück?

Delfinin, Bache und Elefantenkuh
führen ihre Sippen in weiser Ruh‘.
Los Menschenfrau, trau Dich auch Du!

Rollenbilder in der Steinzeit

Steinzeitfrauen hatten es leichter als die Frauen von heute. Warum? Weil all die frauenfeindlichen Ideologien erst noch erfunden werden mussten. Ein Podcast: https://www.podomatic.com/podcasts/sissyvoggspod/episodes/2013-04-03T05_04_27-07_00

Künstlerin

Portraitfoto Sissy VoggSissy Vogg wurde 1966 in Augsburg geboren. Die Stipendiatin der Bayerischen Hochbegabtenförderung schloss ihr Jurastudium und ihren Magisterstudiengang Lateinische Philologie mit den Nebenfächern Altgriechisch und Klassische Archäologie erfolgreich ab. Tätig ist sie heute als geprüfte Fachberaterin für betriebliche Altersversorgung. Von 1990 bis 2002 war Sissy Stadträtin in Augsburg für die Ökologisch-Demokratische Partei. Auch der Feminismus ist ihr seit ihrer Jugend ein wichtiges Anliegen. Ihr Roman „Brüder, Söhne, Liebhaber“ handelt von der Erfindung des Patriarchats. Infos dazu unter http://www.frauenaug-verlag.de/   Für Bestellungen bitte direkt die Verlags-E-Mail anschreiben.

Karikatur: Zeichnung von Manfred Gschwind (8. 7. 1939 bis 6. 11. 2017) nach einer Idee von Sissy Vogg.

Sissy Vogg was born in Augsburg in 1966. She was the recipient of a scholarship for highly gifted students from the Bayerische Hochbegabtenförderung and successfully completed her law studies and her master’s degree in Latin philology with minors in ancient Greek and archaeological studies. Today, she works as a certified consultant for employee retirement benefit plans. From 1990 to 2002, Sissy was a city council member for the Ecological Democratic Party Augsburg. Feminism has always been an important focus for her. Her novel „Brothers, Sons, Lovers“ is about the construct of patriarchy. Find out more at http://www.frauenaug-verlag.de/ For orders, please contact the publisher via email.

Caricature: drawing by Manfred Gschwind (8. 7. 1939 to 6. 11. 2017) inspired by an idea from Sissy Vogg.

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