Transfrauen sind Frauen und wer etwas anderes sagt, sei transphob, so ähnlich argumentierte Sven Lehmann, Queerbeauftragter der Bundesregierung, kürzlich in der Zeit. Auf Linkedin wurde eine Frau angepöbelt, weil sie über Menstruation als Frauensache schrieb. Die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer wird angefeindet und absichtlich als Mann bezeichnet. Was für ein giftiges Klima. Was ist da los? Und warum geht es dauernd um Transfrauen, aber nicht um Transmänner? Ein Blogbeitrag um die Definition von Geschlecht und das geplante Selbstbestimmungsgesetz.
Was genau ist nochmal Trans*?
Lass uns am Anfang beginnen. Transsexuelle, so der alte Begriff und Transgender, so der neue Begriff, gibt es schon immer und auf der ganzen Welt. Mit Transgender werden Menschen bezeichnet, die sich einem anderen Geschlecht zugehörig fühlen als ihnen bei Geburt zugewiesen wurde. (Einen Blogbeitrag zu Begriffen rund um Gendervielfalt gibt es hier.)
Bei Geburt zugewiesen bedeutet: Dem Baby wird zwischen die Beine geschaut, um zu bestimmen, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Ist direkt beim Säugling sichtbar, dass er gemischtgeschlechtliche Organe hat, können Eltern in Deutschland entscheiden, ob der Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde offen bleibt (seit 2013) oder ob sie das Kind als männlich, weiblich oder als divers (seit Ende 2018) registrieren. In Österreich gibt es insgesamt sechs Kategorien. In der Schweiz gibt es nur männlich und weiblich.
Manche verwenden transgender und transsexuell als synonoym, wobei der erstere der modernere Begriff ist, der zweite etwas veraltet. Andere versuchen, zwischen Transsexualität und Transgender einen Unterschied zu konsturieren, wobei Transsexualität auf eine körperliche Dysphorie verweist, also Transpersonen, die ihre Körper medizinisch angeglichen haben beziehungsweise für die diese Angleichung wichtig ist. Transgender ist allgemeiner, ob mit oder ohne geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen. (Dieser Absatz wurde am 12. August 2022 aktualisiert)
Früher galt Transgeschlechtlichkeit als psychische Störung, als Krankheit. Im neuen ICD-11 ist das aufgehoben. Transidentität gilt nicht mehr als Krankheit. Gesprochen wird von Genderinkongruenz, was so viel bedeutet, dass körperliches und empfundenes Geschlecht verschieden sind.
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Transgeschlechtlichkeit in den Gesetzen
In vielen Ländern ist es so, dass transidente Menschen mittels medizinischer Gutachten ihre Transgeschlechtlichkeit „beweisen“ müssen, um ihren Personenstand von männlich in weiblich oder von weiblich in männlich ändern zu dürfen. Häufig besteht auch ein Zwang zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen, also Hormoneinnahme und Operation, um den Körper an die Geschlechtsidentität anzugleichen.
So war das auch in Deutschland im Transsexuellengesetz (TSG) von 1981 vorgesehen. Der Zwang zu medizinischen Eingriffen gilt jedoch seit langem als Menschenrechtsverletzung und steht international in der Kritik. So urteilte das Bundesverfassungsgericht 2011, dass dieser Teil des TSG verfassungswidrig ist. Das Gesetz, das 1981 als modern galt, weil es Transpersonen überhaupt einen legalen Status gab, gilt heute nicht nur als hoffnungslos veraltet. Es ist löchrig wie ein Schweizer Käse, weil alle verfassungswidrigen Teile nicht mehr angewendet werden dürfen.
Geblieben ist die Begutachtung. Das bedeutet, transgeschlechtliche Menschen müssen medizinische Gutachten vorweisen und ihre Transidentität „beweisen“, wenn sie ihren Namen oder Personenstand ändern wollen. Das ist teuer (häufig ist von etwa 2.000 Euro die Rede) und wird als demütigend und erniedrigend empfunden, weil dabei fremde Personen sehr intime Fragen stellen. Ob eine Transperson darüber hinaus ihren Körper medizinisch anpasst, ist ihre Entscheidung. Die Begutachtung zur Änderung des rechtlichen Personenstandes ist auch unter Fachleuten umstritten, weil Identität nicht objektiv begutachtbar ist. Identität ist ein subjektives Empfinden.
Etwas anderes ist es, wenn eine Transperson medizinische Eingriffe plant. Hier braucht es natürlich eine ärztliche und psychotherapeutische Beratung und Begleitung.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2017 entschieden hatte, dass intergeschlechtliche Menschen das Recht auf einen eigenen positiven Personenstand haben und Ende 2018 „divers“ als neuer Personenstand neben „männlich“, „weiblich“ und „offen“ eingeführt wurde, freute sich die Trans-Community zunächst. Aber nur kurz. Denn bald stellten der damalige Innenminister Horst Seehofer und nach ihm der Bundesgerichtshof klar: Diese Regelung gilt nur für intergeschlechtliche Menschen, also Personen, deren Körper gemischtgeschlechtlich ist. Transpersonen müssen weiter über das TSG gehen.
Was will das Selbstbestimmungsgesetz?
Alle Versuche, das Transsexuellengesetz zu reformieren beziehungsweise durch ein neues Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen, sind bisher gescheitert. Zuletzt drei Entwürfe von Grünen, FDP und Linken in der vergangenen Legislaturperiode. Bis zur parlamentarischen Sommerpause soll ein neuer Entwurf vorliegen.
Das Selbstbestimmungsgesetz soll das Transsexuellengesetz ablösen. Dieser Ansatz folgt der von vielen Menschenrechtsorganisationen vertretenen Linie, dass jeder Mensch das Recht hat, frei zu sein und sich frei zu entwickeln. Das gilt auch für die geschlechtliche Identität. Daher soll es künftig möglich sein, das Geburtsgeschlecht einfach per Verwaltungsakt zu ändern.
Die geschlechtliche Identifikation setzt sich in der Regel zusammen aus dem Namen und dem Personenstand, also den Eintrag männlich, weiblich, divers, offen.
Eine Namensänderung sollte einfach möglich sein. Der Name ist für die betroffene Person ein wichtiges Merkmal ihrer Identität, hat aber sonst keinerlei Folgen. Namen sind indiviuduelle Bezeichnungen. Wir haben sowieso etliche Namen, die geschlechtsneutral sind. Also: Soll sich doch jede Person den Namen geben, der ihr entspricht. Und damit die Verwaltung nicht überfordert ist und um Missbrauch vorzubeugen, gibt es eine Begrenzung, zum Beispiel, dass der Name nur alle fünf oder zehn Jahre geändert werden darf.
Komplizierter wird es beim Personenstand. Die Erfassung des Geschlechts hat eine Reihe von Rechtsfolgen, von denen auch andere Personen und die Gesellschaft als Ganzes betroffen sind. Denn wir alle haben ein Geschlecht.
Bereits jetzt gibt es einzelne Transfrauen, die im Personenstand weiblich stehen haben, deren Körper aber vollständig männlich ist. Und es gibt welche, die auch im Personenstand als rechtliche Männer geführt werden, aber als Frau in der Öffentlichkeit auftreten.
Wann ist eine Frau eine Frau?
Wann ist eine Frau eine Frau? Darüber wird derzeit gehässig gestritten.
- Die eine Fraktion sagt: Eine Frau ist eine Person, die sagt sie ist eine Frau. Unsere Geschlechtsidentität kennen nur wir. Der Körper ist irrelevant. Geschlecht sei ein reines Konstrukt also frei verhandelbar.
- Die andere Fraktion sagt: Eine Frau ist eine Person, die mit Vulva, Eierstöcken und Gebärmutter geboren wird. Der Mensch sei zweigeschlechtlich.
Beide Positionen berufen sich auf die Wissenschaft. Und beide Positionen lassen entscheidende Fakten weg, um ihre Position zu untermauern. Mir sind beide Positionen zu extrem. Ich bevorzuge es, zu differenzieren. Ich kann weder den Körper noch die Identität leugnen.
Stellen wir uns vor, es gäbe keinerlei Wissenschaft, keinen Ultraschall, nichts. Es gibt nur menschliche Körper. Was sehen wir? Wir sehen: Manche Menschen bekommen Bäuche. Und bei bestimmten Menschen gehen diese Bäuche schnell wieder weg, nachdem aus ihrem Körper ein neuer Mensch in die Welt gekommen ist. Nicht alle Menschen mit Vulven bekommen Babys. Aber alle Menschen, die Babys auf die Welt bringen, haben Vulven. Keiner dieser Menschen hat einen Penis.
Daraus folgt: Eine Gesellschaft braucht noch nicht einmal eine Vorstellung von Vaterschaft oder eine Vorstellung davon, wie Kinder entstehen. Aber sie hat eine Vorstellung von Mutterschaft. Und diese Mutterschaft ist an Körper gebunden, unabhängig davon, ob diese Person sich als männlich, weiblich oder nicht-binär definiert und unabhängig davon, wer welche sozialen Rollen in einer Gruppe einnimmt. Entsprechend gibt es auf der Welt zwar viele Gesellschaften, die mehr als zwei Geschlechter kennen, aber keine, die auf die Differenzierung in männlich und weiblich verzichtet.
Das Problem: Unsere Vorstellung von Geschlecht nimmt zwar ihren Ursprung beim Körper, geht aber weit darüber hinaus. Das gesamte Sozialisationsprogramm unterscheidet sich, je nachdem, ob wir einen Säugling als männlich oder weiblich in die Geburtsurkunde eintragen. Von Anfang an werden Kinder in Jungs und Mädchen kategorisiert. Sie bekommen verschiedenen Kleidung, Spielsachen, unterschiedliche Ermunterungen oder Sanktionen. Ihnen werden aufgrund von Penis oder Vulva Fähigkeiten, Interessen und Kompetenzen zu- oder abgesprochen. Intergeschlechtliche Kinder, die es ebenso gibt, finden überhaupt nicht statt.
Wir kommen also mit männlichen, weiblichen oder intergeschlechtlichen Körpern und einem individuellen Gehirn auf diese Welt und werden von Anfang an in zwei Schubladen sortiert. Was nicht passt, wird passend gemacht. Oder zumindest wird das versucht oder wir müssen uns permanent damit auseinandersetzen, dass „mit uns etwas nicht zu stimmen scheint“, wenn wir nicht in diese heteronormative, binäre, stereotype Welt passen.
Wir können also feststellen: Geschlecht ist ein Konstrukt aus natürlichen Fakten und gesellschaftlichen Vorstellungen mit vielen Ebenen:
Gameten, Geschlechtszellen: Auf dieser Ebene ist der Mensch tatsächlich zweigeschlechtlich. Es gibt nur Spermienzellen und Eizellen. Und wir brauchen je eine, die sich miteinander verbinden, um die Grundlage für einen neuen Menschen zu schaffen. Andere Wege gibt es nicht.
Körperliches Geschlecht: Die körperlichen Geschlechtsmerkmale setzen sich zusammen aus Chromosomen, Gonaden (Eierstock, Hoden, also die Organe, die Gameten produzieren), äußeren Geschlechtsmerkmalen und Hormonstatus. Auf dieser Ebene gibt es neben Mann und Frau zahlreiche natürliche Varianten, die als intergeschlechtlich zusammengefasst werden.
Geschlechtsidentität: Die Geschlechtsidentität ist unser Gefühl, zu welchem Geschlecht wir uns zugehörig fühlen. Fühlen wir uns männlich, weiblich, nicht-binär oder fluide, also mal so mal so? Diese Identität setzt sich aus angeborenen und gesellschaftlichen Faktoren zusammen. Inwieweit eine Transidentität angeboren sein kann, darüber ist sich die Wissenschaft nicht sicher.
Geschlechterrolle: Die Geschlechterrolle, in der jemand lebt, ist ein soziales Konstrukt. Denn in den Zuschreibungen, welche Aufgaben, Kleidung, welches Aussehen wir welchem Geschlecht zuschreiben, sind wir komplett frei. Die Natur hat allen Geschlechtern die Fähigkeit gegeben, Geschirr zu spülen oder Holz zu sägen.
Phänotyp (Erscheinungsbild): Der Phänotyp setzt sich zusammen aus äußerlichen körperlichen Geschlechtsmerkmalen (Busen, Bartwuchs) und gelernten sozialen Vorstellungen von Geschlechterrollen (Kleidung, Verhalten). Damit weisen wir häufig anderen ein Geschlecht zu.
Sexuelle Orientierung: Die sexuelle Orientierung bestimmt, in wen wir uns verlieben und zu welchen Körpertypen wir uns hingezogen fühlen.
Ich kann also weder den Körper leugnen, noch die Identität. Beides ist wahr. Wahr ist auch, dass es Menschen gibt, bei denen das körperliche und das empfundene Geschlecht nicht gleich sind.
Warum das so ist, da ist sich die Wissenschaft nicht sicher. Es gibt Hinweise auf vorgeburtliche Einflüsse. Wobei bei den vorgeburtlichen Einflussfaktoren nicht klar ist, inwieweit diese geschlechtlich sind, und inwieweit einfach individuelle angeborene Anlagen auf stereotype Vorstellungen treffen. Manchmal passt das Sosein zum Stereotyp, manchmal nicht. Und je nachdem, wie eine Person denkt und fühlt, kann das dazu führen, dass sie gegen gesellschaftliche Stereotypen revoltiert und kämpft oder sich eher anzupassen versucht und dabei den tiefen Wunsch entwickelt, endlich den passenden Körper zu ihrem Sosein zu haben, um von der Gesellschaft so gesehen zu werden, wie sie sich fühlt.
Wann ist also eine Frau eine Frau? Wann ist ein Mann ein Mann? Von welchen Faktoren machen wir das abhängig?
Und hier kommen wir zu einer spannenden Frage: Warum streiten wir darüber, wann eine Frau eine Frau ist? Warum wird darüber gestritten, ob wir das Wort „Frau“ überhaupt noch verwenden dürfen? Und warum streiten wir nicht gleichermaßen über den Begriff „Mann“?
Die sexistische und misogyne Verschiebung in der Transdebatte
Ich erlebe in dieser Debatte eine sexistische und misogyne Verschiebung. Wir streiten darüber, ob eine Person mit Penis eine Frau sein kann, wenn sie Röcke trägt. Wir streiten nicht darüber, ob eine Person mit Busen und Vulva als Mann anzuerkennen ist, weil sie sich männlich kleidet. Was genau heißt denn „männlich kleiden“? Vor knapp hundert Jahren waren es Marlene Dietrich und Eleanor Roosevelt, die Hosen trugen, damals als Männerkleidung gelesen. Es war in Deutschland für Frauen noch bis in die Nachkriegszeit unschicklich, sich in Hosen zu zeigen. Aber weder Dietrich noch Roosevelt wären dabei auf die Idee gekommen, sich als Mann zu bezeichnen. Sie haben dazu beigetragen, Hosen für Frauen salonfähig zu machen. Wo sind die mutigen Männer, die Röcke, Kleider, Make-up für Männer salonfähig machen?!
Kleidung und Geschlecht
Wieso also ist das Tragen von hohen Schuhen, Röcken, Nagellack oder Make-up so sehr mit einer Entmannung verbunden? Solche Aussagen kommen sowohl von der Seite, die wir als toxische Männlichkeit beschreiben. Klar, wundert uns nicht. Aber derart frauen- und männerfeindliche Aussagen kommen ebenso von Transfrauen, die ihr Frausein darüber definieren, dass sie sich schminken, Röcke tragen, hohe Hacken und lange Haare.
Ernsthaft? Was ist mit James Hetfield, David Lee Roth oder Axel Rose und all den anderen langhaarigen Metallern? Was an Stephan Brings ist unmännlich, nur weil er Rock und lange Haare zu seinem Markenzeichen gemacht hat? Ist Robert Smith kein Mann, nur weil er in den 80er Jahren immer geschminkt war? Sicher nein. – In Sachen Outfit und Geschlecht denke ich manchmal: Da waren wir schon einmal weiter.
Was ist unmännlich daran, sich zu schminken oder die ganze Palette an Farben, Formen und Stoffen zu nutzen? Würde irgendwer behaupten, Napoleon sei kein Mann gewesen? Wohl kaum.
Ich empfinde es als zutiefst sexistisch und übergriffig, wenn Kleidung dazu benutzt wird, um jemandem ein Geschlecht zuzuweisen oder abzusprechen, ganz egal, ob die Sprüche von Machomännern kommen oder von Transfrauen. Ich bin auch dann eine Frau, wenn ich ungeschminkt in Sneakers und schwarzem Hoodie herumlaufe.
Jeder Mensch hat das Recht, die Kleidung zu tragen und das Styling zu wählen, das der eigenen Persönlichkeit und Identität entspricht. Das ändert nichts am Geschlecht. Wir müssen also aufhören, Geschlecht über Kleidung zu definieren.
Menstruation und Erektion
Das zweite Beispiel einer sexistischen Schieflage bezieht sich auf körperliche Aspekte von Weiblichkeit, wie Menstruation. Auf Linkedin wurde letztens eine Frau von einer anderen Frau angegriffen, weil sie in Bezug auf Menstruation von „Frauensachen“ gesprochen hat.
Kritikerin: „Auch hier wieder: Menstruation ist keine Frauensache. Es ist 2022. Können wir es bitte schaffen bei solchen Themen mal vom Tellerrand wegzukommen und auch an die Menschen denken, bei denen das alles nicht so schwarz weiß ist?“
Autorin: „Ich verstehe gerade die Aussage hinter dem Kommentar nicht und es fällt mir sehr schwer, den Bezug zu meinem Beitrag zu erkennen. Das „auch hier wieder“ lässt vermuten, dass sie sich mit einem Kommentar wie dem obigen schon mehrfach zu Wort gemeldet haben. Leider habe ich nichts davon mitbekommen und keinen ihrer Beiträge zuvor gesehen, deshalb auch hier: kein Kontext für mich. Ich stimme zu: es ist 2022.“
Kritikerin: „Menstruation ist keine Frauensache.“
Es ging eine Weile so weiter. Die Kritikerin biss sich daran fest.
Meine Frage an die Kritikerin: „Würdest du dich genauso empören, wenn über Prostata oder Erektionsstörung als Männersache gesprochen wird? Habe ich noch nie gelesen. Ich lese solche Empörungen nur einseitig gegen Frauen gerichtet. Ich beobachte in Teilen dieser Debatte ein sexistisches Bias.“
Auf meine Frage bekam ich keine Antwort mehr. Ich glaube, sie hatte die Autorin da bereits geblockt (Link zu meinem Kommentar).
Sexuelle Orientierung: Übergriffige Datingerwartungen
Für alle, die sich in dem Begriffsdschungel nicht so gut auskennen, eine kurze Orientierung:
Eine Transfrau ist ein körperlicher Mann mit weiblicher Identität. Dabei gibt es Transfrauen, die sich haben operieren lassen und eine künstliche Vulva haben und solche, die weiterhin Penis tragen. Wenn sie sich in körperliche Frauen verliebt, gilt das als lesbisch. Wenn die Transfrau mit Penis mit Männern Sex hat, gilt das als heterosexuell.
Ein Transmann ist eine körperliche Frau mit männlicher Identität. Auch hier gibt es welche, die mittels ästhetischer Chirurgie einen Penis haben und solche, die weiterhin eine Vulva haben. Wenn sie mit einer Cis-Frau zusammen sind, gilt das heterosexuell. Wenn sie einen Mann daten, als homosexuell.
Vor einiger Zeit las ich auf Twitter von lesbischen Frauen, die sich beschwerten, dass sie als transphob beschimpft werden, weil sie auf queeren Datingportalen schreiben, dass sie keine „female dicks“ möchten, also nur körperliche Frauen anziehend finden.
Hallo?! Welche Sexualpartner*innen jemand bevorzugt, ist eine persönliche Entscheidung und das Menschenrecht dieser Person. Es ist absolut übergriffig zu erwarten, dass eine lesbische Frau auf Penisse steht, nur weil ihre Trägerin sich als Frau identifiziert.
Stellt euch mal vor, ein nicht-operierter Transmann, also ein Mann mit Vulva, beschimpft einen schwulen Mann als transphob, weil er nur Sex mit Penisträgern möchte. Ich habe darüber mit einem schwulen Freund gesprochen. Der hat nur gelacht und den Kopf geschüttelt.
Sexismus erkennen: Mach den Flip-Test
Der Flip-Test funktioniert auch ganz wunderbar, um sexistische Verschiebungen in der Transdebatte zu identifizieren.
- Eine männlich sozialisierte Person mit Penis, die sich weiblich identifiziert, betritt nackt die Frauendusche, das Frauen-Spa, die Frauen-Sauna und erwartet, als Frau akzeptiert zu werden. Frauen, die das nicht gut finden oder Angst haben, werden als transphob beschimpft.
Flip-it:
- Eine weiblich sozialisierte Person mit Busen und Vulva, die sich männlich identifiziert, betritt nackt die Gruppendusche für Männer und erwartet, dort als Mann akzeptiert zu werden. – Was passiert wohl in diesem Setting? Würde sich das ein Transmann überhaupt trauen?
Sprache und Sein
Die Aktionsgruppe FLINTA schafft das Wort Frau ganz ab und versteckt es in einem Akronym. FLINTA steht für Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen. Das Wort Mann dagegen steht patriarchal weiter alleine da. Nun haben Frauen jahrzehntelang dafür gekämpft, in der Sprache gesehen und benannt zu werden. Und da kommt eine Gruppe und wischt sie unter der Behauptung angeblicher Progressivität aus der Geschichte. Keine Frauen mehr da. Nur noch Männer und FLINTAS. FLINTAS sind alle, die nicht heterosexuell, männlich und cis-gender sind. Wobei: Die schwulen Männer haben die FLINTAS vergessen. Zumindest werden sie nicht erwähnt. Sie leiden ja ebenfalls unter patriarchaler Diskriminierung, müssten also ebenfalls FLINTAS sein, andererseits werden dort nur lesbische Frauen erwähnt. Progressiv ist an einem solchen Denken gar nichts. Ich empfinde es als rückschrittlich, binär, Vielfalt vernichtend, außerdem sachlich unlogisch: Sexuelle Orientierung, körperliches Geschlecht und Geschlechtsidentität werden unter dem Begriff Identität zusammengefasst und gegen Mann positioniert.
Irgendetwas läuft in dieser Debatte falsch. Sinnvoll wäre es, uns darüber Gedanken zu machen, was an Geschlechtlichkeit und geschlechtsspezifischen Unterschieden natürlich ist, also berücksichtigt werden muss, und was gesellschaftlich konstruiert wird, was wir also verändern können und müssen, damit die Welt für alle fair ist. Stattdessen bleiben die Parteien im binären Denken hängen, verhärten die Kämpfe und keifen sich gegenseitig an. Es wäre lustige Realsatire, wenn es nicht so bitter ernst wäre und für die betroffenen Personen nicht so heftige Folgen hätte.
Wir reden von Diversity und feiern Vielfalt. An der Oberfläche feiern fast alle mit. Aber wenn wir in die Tiefe tauchen, sehe ich viel Einfalt und Intoleranz. Wenn wir Vielfalt und Toleranz wollen, müssen wir vielfältig und tolerant denken.
Warum erfasst der Staat das Geschlecht überhaupt?
Unsere Gesellschaft ist durch und durch binär organisiert und unterscheidet häufig zwischen Männern und Frauen. Dabei wird nicht differenziert, ob das körperliche Geschlecht gemeint ist, das sozialisierte oder die Geschlechtsidentität. Intergeschlechtliche Menschen oder nicht-binäre Personen werden so gut wie gar nicht erfasst, sondern in die binären Schubladen gestopft.
Dabei greifen staatliche Stellen ebenso wie Forschungseinrichtungen oder statische Ämter und Organisationen auf diese Daten zu, zum Beispiel für Fragen der Städteplanung, Statistiken zu Lohn- und Renten(un)gleichheit, zu Daten darüber, wer die unbezahlte Arbeit in Familien macht, für Kriminalitätsstatistiken, für Krankheitsrisiken und Todesursachen.
Wir benutzen Daten über Männer und Frauen, um geschlechtsspezifische Unterschiede zu erkennen, um Diskriminierung zu belegen oder Erfolge von Anti-Diskriminierungsarbeit zu dokumentieren, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Natürlich werden auch Transfrauen diskriminiert, ab dem Moment, wo sie von außen als Frau gelesen werden. Und Transmänner erfahren auf einmal Anerkennung, die sie als Frau nie bekommen haben. Darin besteht eine Chance, denn Transmänner und Transfrauen können aus erster Hand berichten, was sich ändert, wenn die Gesellschaft denselben Menschen mit einem anderen Geschlecht liest. Was wird leichter, was schwerer, nur durch die Zuweisung zu einer Geschlechterkategorie von außen?
Transfrauen behalten aber auch männliche Eigenschaften. Die Diskriminierung von Frauen bei der Fahrzeugsicherheit etwa betrifft Cis-Frauen, denn hier geht es um weibliche Körper, nicht um die Identität. Gleiches gilt für die Symptomatik bei Herzinfarkten.
Bei medizinischen Fragen müssen Transpersonen ohne medizinische Angleichung im Geburtsgeschlecht behandelt werden. Wenn sie Hormone nehmen, müssen sie als gemischtgeschlechtlich betrachtet werden, denn dann wirken männliche und weibliche Faktoren in ihren Körpern.
Wenn wir von Gewaltdelikten sprechen, von Gewaltprävention und von Traumabehandlung und Therapien für Opfer von Gewalt, steht die Sozialisation der beteiligten Personen im Vordergrund. Wenn eine Person über Jahrzehnte in einem Geschlecht sozialisiert wurde und darin lebte und mit 40 das Geschlecht wechselt, bleiben die Spuren der Sozialisation in ihr drin und werden unbewusst weitergelebt. Je weniger binär und patriarchal aber unsere Umgebung ist und je mehr geschlechtsneutral wir einfach in unserem Sosein leben dürfen, umso weniger geschlechtsspezifische Sozialisationseffekte gibt es. Stand 2022 sind wir da aber denkbar weit entfernt. Selbst wenn das Elternhaus sehr geschlechteroffen ist, wir begegnen einer geschlechterstereotypen Welt da draußen.
Wenn du aufmerksam beobachtest, wer in der Debatte um Transrechte auf der Bühne steht, dann sind das fast nur Transfrauen. Obwohl es ebenso viele Transmänner gibt, in der Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sogar sehr viel mehr Transmänner als Transfrauen, outen sich nur wenige Transmänner als trans. Welche Rolle spielt hier die Sozialisation? Welche das Patriarchat?
Wenn wir eine wirklich genderfaire Welt bauen wollen, in der Menschen aller Körper und Identitäten sich frei entwickeln können, müssen wir das binäre Denken verlassen. Und wir müssen differenzieren, von welcher Art Geschlecht wir sprechen: Körper, Sozialisation oder Identität.
Wie kann das gelingen?
Was muss ein handwerklich gutes Selbstbestimmungsgesetz leisten?
Ein handwerklich gutes Selbstbestimmungsgesetz muss das gleiche leisten, was jedes handwerklich gute Gesetz leisten muss: Es muss das tun, wofür es gemacht wird, ohne dass es tausende Klagen provoziert und ohne dass es Gesetzeslücken schafft, die in großem Stil ausgenutzt werden. Denn wir können uns sicher sein: Wo es Unklarheiten gibt, wird geklagt werden. Und wo Gesetzeslücken sind, werden sie genutzt werden.
Handwerklich schlechte Gesetze hatten wir schon viele und bisweilen erreichen sie das Gegenteil von dem, was sie wollten.
Was soll das Selbstbestimmungsgesetz also leisten: Ich denke, der wichtigste Punkt ist, dass transidenten Menschen der teure und erniedrigende Weg über die Begutachtung nach TSG erspart wird, wenn sie ihren Namen ändern oder ihr Geburtsgeschlecht loswerden wollen. Fast ebenso wichtig ist es, dass das Gesetz ein transfreundliches Klima in der Gesellschaft unterstützt.
Denn Transpersonen würde ein Bärendienst erwiesen, wenn sie zwar leichter den Personenstand ändern können, dafür aber in der Gesellschaft mit mehr Anfeindungen und Diskriminierung zu rechnen hätten. Das kann niemand wollen, dier für Vielfalt ist.
Und wir dürfen bei allem Gerede über Transmänner und Transfrauen auch diejenigen nicht vergessen die qua Geburt intergeschlechtlich sind sowie nicht-binäre Personen, die sich weder als männlich noch als weiblich definieren. Ebenso müssen wir akzeptieren, dass Mann-Frau nicht einfach eine Unterscheidung ist, sondern dass darin eine patriarchale Hierarchie steckt, die Frauen global und seit Jahrhunderten unterdrückt und abwertet.
Wir müssen also überprüfen, in welchen lebenspraktischen Situationen, ein Widerspruch zwischen Geschlechtsidentität und körperlichem Geschlecht zu Problemen führt oder andere Rechte verletzt:
Ich hätte zum Beispiel gerne diese fünf Fragen beantwortet:
- Umkleide- und Nackträume: Darf eine Transfrau mit Penis am Frauentag ins Hamam? Was ist mit den Rechten der Cis-Frauen auf ihr persönliches Schamgefühl oder die Freiheit religiöser Überzeugung? Muss die Sauna künftig schreiben: Heute ist Vulventag, weil das Wort Frau sonst auch Penis-Frauen einschließt?
- Kosmetische Behandlungen im Genitalbereich: Darf eine Cis-Frau gezwungen werden, eine Transfrau an Penis und Hoden zu behandeln?
- Schule und Sport: Lehrpersonen brauchen geschützte Umkleiden für transgeschlechtliche Kinder und Jugendliche. Stellen wir uns ein 13-jähriges Transmädchen vor. In der Jungsumkleide wird sie gemobbt, in der Mädchenumkleide gibt es beim Anblick eines Penisses Gekreische. Und in der Lehrkräfteumkleide setzt sich die Lehrperson der Gefahr aus, wegen sexuellen Missbrauchs belangt zu werden.
- Wie wird in dem Gesetz sichergestellt, dass es nicht von körperlichen Männern missbraucht werden kann, um Cis- und operierten Trans-Frauen gegenüber übergriffig zu werden? International gibt es ja durchaus einige Fälle, in denen das geschehen ist.
- Wie wird dafür gesorgt, dass die Verwaltung nicht überfordert wird, weil sich Namen und Geschlecht zu leicht und zu oft ändern lassen?
Wenn wir eine Wohnadresse ändern wollen, müssen wir beweisen, dass wir dort auch wohnen, etwa mit der Unterschrift unserer Vermieter*in. Für unsere Identität gibt es keinen objektivierbaren Beweis. Daher müssen andere Wege gefunden werden, um Missbrauch zu erschweren.
- Ein handwerklich gutes Gesetz leuchtet die Folgen der Neuregelung aus und denkt sich in alle möglichen Konstellationen hinein. Im Idealfall hat es auch eine Antwort auf den Worst Case.
- Ein handwerklich gutes Gesetz lässt sich für die Zwecke leicht nutzen, für die es gedacht ist. Missbrauch dagegen wird erschwert und unter Strafe gestellt.
- Ein handwerklich gutes Gesetz hat im Blick, wofür Daten über körperliches Geschlecht oder Geschlechtsidentität benötigt werden und ermöglicht, diese Daten so differenziert zu erfassen, dass gute und faire Politik für Menschen gemacht werden kann.
Aussagen wie von Sven Lehmann, die behaupten, es werden keine Probleme geben, weil es nach den Regeln des alten Gesetzes keine gab, sind naiv und letztlich Ausdruck politischer Verantwortungslosigkeit. Wer nicht genau hinsieht und die Verstrickungen in unserer komplexen Gesellschaft berücksichtigt, schafft beste Voraussetzungen für ein handwerklich fehlerhaftes und schlechtes Gesetz.
Kanada ist bekannt dafür, dass es sehr liberal und diversitätsoffen ist, in Sachen Diversity ein internationaler Musterschüler. Kanada ist das erste Land, das in der Bevölkerungserhebung erstmals auch Daten über Geschlechtsidentitäten erfasst. Dabei wurde aber das körperliche Geschlecht nicht durch eine Identität ersetzt, was hierzulande dauernd diskutiert wird. Die Daten wurden ergänzt, so dass beides erfasst ist, das körperliche Geschlecht und die Identität. Die bisherige Angabe wurde präzisiert als „sex at birth“ und es wurde eine Frage nach der Geschlechtsidentität hinzugenommen. So geht sauberes Arbeiten. Und so bekommen Politik und Verwaltung saubere Daten, mit denen sie Politik gestalten können.
Wir müssen Transgender, Intergechlechtlichkeit und Feminismus gemeinsam denken ohne es gleichzusetzen
Es ist ausgrenzend und daneben, wenn Transpersonen nicht akzeptiert werden. Gleiches gilt ebenso für Interpersonen. Geschlechtliche Vielfalt jenseits von cis-männlich und cis-weiblich ist real.
Es ist aber ebenso ausgrenzend und daneben, wenn Frau als cis-geschlechtliche Kategorie abgeschafft wird.
Es ist ausgrenzend und daneben, wenn Personen mit Nagellack, Rock oder Make-up das Mannsein abgesprochen wird.
Aus meiner Sicht müssen wir künftig entweder zwischen den Kategorien Körper und Identität unterscheiden: Dann hätten wir
- Körper: weiblich, intergeschlechtlich, männlich und
- Identität: weiblich, nicht-binär, männlich.
Wenn wir Körper und Identität zusammenfassen wollen, plädiere ich dafür, dass es für jeden Menschen maximal einfach sein sollte, das Geburtsgeschlecht zu verlassen und sich als nicht-binär zu identifizieren oder als divers. Ein Springen in die gegengeschlechtliche Kategorie sollte aber von weiteren Kriterien abhängig gemacht werden, etwa dass neben der Identität auch der Körper zumindest äußerlich der Geschlechts-Kategorie entsprechen muss.
Um Verwaltungen nicht zu überfordern, sollten Kinder und Jugendliche maximal alle zwei Jahre Änderungen vornehmen dürfen, Erwachsene alle zehn Jahre. Durch die Zeitbindung wird verhindert, dass Cis-Personen das Gesetz für vollständig andere Zwecke ausnutzen.
Kleidung oder Styling sollten wir als geschlechtsunspezifisch wahrnehmen. Es ist einfach individueller Ausdruck.
Das sind meine drei Cents.
Foto: Sigi Lieb
Ich habe ein Dutzend Transmenschen (überwiegend Transmänner) gefragt, ob Transmänner richtige Männer sind. Eine Stimme dagegen und zwei Stimmen dafür. Der Rest fand, dass es auf das Aussehen ankommt. Dass ein Transmann im Grunde nur erst ein richtiger Mann sei, wenn er einen Schwanz hätte.
Vielen Dank für den tollen Beitrag!
Ich denke es ist sehr wichtig, überhaupt über Gewalt zu sprechen. Es gibt zum einen Formen von körperlicher Gewalt und zum anderen insbesondere sexuelle Gewalt. Schutzräume aus der Perspektive sexueller Gewalt gelesen drehen sich um einen funktionierenden Penis, der zur Vergewaltigung gereicht. Schutzräume aus der Perspektive körperlicher Gewalt ohne sexuelle Gewalt beziehen sich auf Körpergröße und Muskelmasse: Es ist normal mit Stärkeren konfrontiert zu werden, bisher. Zusammengenommen möchte ich nicht Personen mit (funktionierendem) Penis in Schutzräume von Menschen mit Scheide dürfen und ich möchte Personen mit Scheide nicht in den „Schutzräumen“ von Menschen mit (funktionierendem) Penis, damit Vergewaltigungen in Schutzräumen vermieden werden. Ich spreche explizit nicht von Vulva sondern Scheide und beziehe mich auch auf die Kategorie der Zweigeschlechtlichkeit, die im Zweifel (Vergewaltigungsmaßgeblichkeiten) einen eigenen Schutzraum ermöglicht bekommen zu haben. (Vgl. https://marius-a-schulz.de/2023/02/24/institutioneller-feminismus/ ).
Im Übrigen hat auch das Gehirn ein Geschlecht und unterscheidet sich in seiner Konfiguration mit einer erhöhten Zellausdünnung aufgrund von Testosteronschwämme während der Schwangerschaft sowie in einem unterschiedlichen Bindungsareal (Zellstruktur) von den zwei Bindungsarealen, die ein Mensch hat (Vgl. Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln). Gerade für die Diversität, die über Oberflächlichkeiten hinausgeht, ist insbesondere das relevant (Vgl. https://marius-a-schulz.de/2022/06/05/diversitaet-neuronal/ ).
Mit freundlichen Grüßen,
Marius A. Schulz.
Sehr geehrter Marius Schulz, vielen Dank für Ihren Beitrag.
Ihrer Aussage zum Gehirn muss ich widersprechen. Das Gehirn ist nach heutigem Stand der Forschung gechlechtslos. Der wesentliche Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen ist der gleiche wie zwischen männlichen und weiblichem Herz, Lunge oder Leber. Das männliche Organ ist größer, weil Männer im Durchschnitt größer sind als Frauen.
Andere Unterschiede, die gemessen werden (Verbindungsbalken, weiße/graue Masse) können nicht signifikant mit Fähigkeiten, Interesssen oder Talenten verbunden werden. Es ist vielmehr so, dass auf das unreife, geschlechtslose Gehirn eines Babys, eine geschlechtsspezifische Sozialisation erfolgt. In diesem Blogbeitrag gehe ich ausführlicher darauf ein: https://www.gespraechswert.de/geschlechter-zahl/#Gibt_es_ein_maennliches_oder_weibliches_Gehirn
„Ein Springen in die gegengeschlechtliche Kategorie sollte aber von weiteren Kriterien abhängig gemacht werden, etwa dass neben der Identität auch der Körper zumindest äußerlich der Geschlechts-Kategorie entsprechen muss.“
Das ist nicht verfassungskonform. Das BVerfG hat in der Hinsicht 2011 sehr eindeutig entschieden, dass der Staat keine Anpassung des Körpers verlangen darf (insbesondere keine der Genitalien, was ja auch eine Sterilisation erzwang), nur um den rechtlich geltenden Geschlechtseintrag zu ändern. Gerade genitalverändernde OPs sind risikoreich und kompliziert, sodass es niemals in Ordnung sein kann, das von Menschen zu erwarten.
Das denke ich auch deswegen, weil es meist nicht besonders schwer ist, in einer Damenumkleide oder -dusche die eigenen Genitalien stets so zu bedecken, dass sie niemals einer anderen Person dort sichtbar werden. Wir trans Frauen wollen ja mit unseren für Frauen untypischen Genitalien nicht negativ auffallen. Am sichersten sind wir, wenn niemand weiß oder ahnt, dass wir überhaupt trans sind.
Liebe Maya, vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin keine Juristin und schon gar keine Verfassungsrechtlerin. Aber 2011 gab es noch keine Alternative zu m und w. Die gibt es jetzt. Im Urteil des BVerfG steht, dass nicht alleine der Körper zählt, sondern auch die Identität. Ich denke, genau das müssen wir anerkennen. Beides zählt.
Wie genau ein Wortlaut lauten muss und für wen es unter welchen Bedingungen welche Ausnahmen gibt, das müssen Jurist*innen aushandeln. Aber wir müssen darüber diskutieren und möglichst viele Lebenswirklichkeiten und Gesetzesfolgen ausleuchten. Denn die Würde des Menschen ist für alle unantastbar und auch Diskrimnierungsverbote gelten für alle.
Der Wunsch, dass nur die Identiät zählen soll, ohne jede Kontrolle und ohne Bedeutung des angeborenen körperlichen Geschlechts, dürfte ebenso verfassungswirdig sein. Vor allen Dingen aber ist das gesellschaftlich nicht durchsetzbar und wird am Ende dazu führen, dass die Akzeptanz für genderqueere Lebenswelten eher sinkt, als verbessert wird.
In meiner pragmatischen nicht-juristischen Phantasie sollte jede Person einfach in die Kategorie „divers“ dürfen (die gerne auch nicht-binär heißen darf oder wie auch immer), ohne besondere Voraussetzungen. Die Gemischtgeschlechtlichkeit entspricht ja auch für Transpersonen insofern der Wahrheit, dass Körper und Identiät nicht kongruent sind. Bei einer medizinischen Transition reagiert außerdem auch der Körper gemischtgeschlechtlich.
Ausnahmen sollte es geben für Menschen mit einer starken diagnostizierten Geschlechtsdysphorie, die mit einer Bezeichnung „divers“ psychisch nicht klarkommen, sondern ein maximales Passing brauchen. Diese Personen sind dann aber auch automatisch operiert. Denn genau dazu führt ja eine starke Dysphorie.
Du hast natürlich recht, dass niemandem eine OP vorgeschrieben werden darf.
Ich möchte mehr dafür arbeiten und streiten, dass es normal und akzeptiert ist, trans* oder inter* zu sein, statt so zu tun, als ob es möglich ist, vollständig ein Geschlecht zu wechseln. Die körperliche Realität bleibt ja. Bei späten Transitionen auch die Sozialisation, nicht als alleinig relevant. Aber wie wir behandelt werden von außen, macht etwas mit unseren Gehirnen und wirkt sich auf unser Verhalten aus (Habitus/Bourdieu).
Dritte genderqueere Räume sind vor allen Dingen für alle diejenigen gut, die Angst haben in genderspezifischen Räumen oder einfach keine Blicke auf sich ziehen wollen, weil sie zum Beispiel obenrum aussehen wie Männer und untenrum wie Frauen. Und je größer diese Gruppe „divers“ ist, umso leichter ist es, dass sie die Gesellschaft als normal akzeptiert.
Aus „transfeindlichen Kontext“ stammt die Behauptung, dass eine misogyne Debattenverschiebung durch trans Personen oderTransaktivisten stattfinden würde [wird Blog-Text so nicht reproduziert]. Der Einsatz für die Belange von trans Menschen wird von „gender critical“ und „radfems“ (Personen, die sich den Radikalfeminismus angeeignet haben und trans-exklusive Positionen vertreten) als per se frauenfeindlich geframed. Die Formel lautet: Trans=Misogynie. Es ginge darum den Begriff „Frau“ abzuschaffen, Frauenräume zu kolonisieren. Viele der Anschuldigungen kamen schon von Janice Raymond in „Transsexual Empire“.
Dabei sind tin Personen durchaus auch von Misogynie betroffen:
Trans Männer werden als verwirrte Frauen gesehen, die mit ihrer Transition der Unterdrückung als Frau entkommen wollen. Es wird so getan als würden trans Männer nicht für sich selbst sprechen können und als wären sie völlig irrational. Linus Giese, Jayrôme C. Robinet und viele andere sprechen und bringen sich ein … werden aber kaum rezipiert. Hier ist eine strukturell frauenfeindliche Dynamik zu erkennen … nur dass sie von cis Frauen gegenüber trans Männern eingesetzt wird. Bei trans Frauen dagegen wird deren Fachkompetenz … sobald sie sich als trans outen in Frage gestellt. Auch hier greift die Zuschreibung von Irrationalität und Emotionalität …
Cis Frauen, die sich politisch für trans Personen einsetzen werden als „Handmaiden des Patriarchats“ bezeichnet.
… und von der Seite her erlebe ich die Argumentation und Beschimpfungen als insgesamt stärker misogyn als in transaktivistischen Kontexten.
Gleichzeitig: Im Blogbeitrag wurde nur das behauptet: Nämlich, dass eine sexistische und misogyne Verschiebung der Debatte stattfindet. Sie wurde nicht klar zugewiesen. Allerdings wurden tendenziell frauenfeindliche Stereotype nur im Kontext des Einsatzes für trans Rechte benannt.
Im Kontext von Kleidung wäre z.B. neben Eleanor Roosevelt eben auch Billy Tipton zu nennen.
An der Stelle wäre mMn einfach auch wichtig gewesen zu diskutieren, dass Kleidung für verschiedene Menschen verschiedene Bedeutung hat und haben kann … und dass im Kontext phänomenologischer Geschlechtsbestimmung (die wir als Menschen nun mal nutzen) Kleidung irgendwie eine Rolle spielt. Kimmo Pohjonen, Mortiis und einige andere Männer treten in Rock (und z.T. mit Nagellack) auf … ohne dass ihre Männlichkeit zur Debatte steht.
Es gibt feminin auftretende trans Männer und eher maskuline trans Frauen (die in die Kategorie „butch“ oder „stone butch“ passen würden) … und vereinzelt auch Leute wie Pete Burns.
Deswegen finde ich das zu knapp:
>> Ich empfinde es als zutiefst sexistisch und übergriffig, wenn Kleidung dazu benutzt wird, um jemandem ein Geschlecht zuzuweisen oder abzusprechen, ganz egal, ob die Sprüche von Machomännern kommen oder von Transfrauen. <<
Es gibt Frauen, die Frauen nicht auf die Frauentoilette lassen wollen, weil sie zu männlich aussehen. Und das betrifft nicht nur trans Frauen. Gerade in der terf/"gender critical" community gibt es da viel gate keeping … und große Frauen werden gern als trans Frauen gelesen, obwohl sie es nicht sind.
Und dann haben wir da noch das Problem, dass "passing" für trans Personen auch sicherheitsrelevant ist. Menschen, die sofort als trans erkennbar sind (oder nicht klar einem Geschlecht zugeordnet werden können) erfahren deutlich mehr verbale, psychische und physische Gewalt.
… soweit und recht ungeschliffen …
Bitte benutze nicht einen einzelnen Begriff oder ein einzelnes Argument, von dem du selbst sagst, dass ich es nicht transfeindlich anwende, um es dann doch als transfeindlich zu framen. Das hilft niemanden, also nur denen, die sowieso gegen Frauenemanzipation als auch gegen genderqueere Lebensformen sind. Denn es verengt die Debatte auf Schwarz-Weiß-Denken und heizt Konflitke an.
Transpersonen sind per se weder bessere noch schlechtere Menschen als alle anderen auch. A.cher gibt es überall.
Wenn eine Transfrau von Cotton Ceiling spricht und eine lesbische Frau beschimpft, weil sie keinen Sex mit einer Transfrau (mit Penis) möchte, dann ist das sexistisch, sogar ein sexueller Übergriff. Das hat nichts mit Transfeindlichkeit zu tun. Transfeindlich handelt in diesem Fall eher die Transfrau, die so auftritt, weil dieses Auftreten der Akzeptanz von Transfrauen schadet.
Transfeindlich handelt meiner Meinung nach auch zum Beispiel eine Tessa Ganserer, wenn sie behauptet, ein Penis sei kein männliches Organ. Denn damit löst sie großes Unverständnis aus, wie jemand die Faktizität der Körper so leugnen kann, und schwächt die Akzeptanz von Transpersonen als ganz normale Menschen. Ich habe in den letzten Monaten ausfallende, hetzende Auftritte einiger weniger Transfrauen gelesen, die ich als aggressiv und mit männlichem Habitus lese und empfinde. Das ist eine kleine Minderheit in der Community, die derzeit aber sehr laut ist und letztlich der Akzeptanz von Transleuten schadet. Das finde ich bedrohlich und falsch. So wie ich jede Hetze für falsch halte.
Körper sind real. Identitäten sind real. Und auch Interesssenskonflikte sind real.
Vielleicht ist es so, dass Cis-Frauen, Homosexcuelle, Transpersonen, Interpersonen zwar alle zu diskriminierten Gruppen gehören, jedoch in bestimmten Punkten unterschiedliche Interessen haben. Diese müssen wir transparent machen und darüber sprechen, wie wir gute Lösungen finden.
Ich bin völlig deiner Meinung, dass wir Schutzräume für Trans- und Interpersonen brauchen, dass es innerhalb der Queer-Community, selbst innerhalb der Trans-Community eine riesige Vielfalt gibt. Und danke, dass du diese Vielfalt hier mit uns teilst.
Natürlich habe ich in dem Blogbeitrag nicht alles abgehandelt. Das geht auch nicht. Ist eh schon so lang. Ich habe aber ein Buchmanuskript geschrieben.
Die 5 Fragen kann ich aus meiner Sicht mal beantworten:
1) Da gibt es offene Fragen … und die sind letztlich über Rechtsgüterabwägung zu lösen. Das Nicht-Diskriminierungsgebot in öffentlichen Räumen ist insgesamt wohl schon recht hoch anzusetzen. Gleichzeitig ist es so, dass trans, inter und nichtbinäre Menschen generell Nackräume aus Sicherheitsgründen bisher weitestgehend meiden. Das trifft selbst auf öffentliche Toiletten zu … und führt bisweilen zu deutlich negativen gesundheitlichen Konsequenzen.
>> Muss die Sauna künftig schreiben: Heute ist Vulventag, weil das Wort Frau sonst auch Penis-Frauen einschließt? <<
Wenn die Sauna einen Tag für cis Frauen haben will, dann reicht das Wort nicht, Weil inter Personen Vulva + Penis haben können und trans Männer wie Buck Angel (einfach mal googlen) sicher auch nicht erwünscht sind (aufgrund körperlicher Merkmale, die nicht das Genital betreffen).
2) Grundsätzlich kann niemand zu kosmetischen Behandlungen an Genitalien (anderer) gezwungen werden. Ansonsten ist das eine Frage von privatrechtlichen Verträgen. Problematisch wäre die Verweigerung einer solchen Behandlung, wenn sie für cis Frauen und cis Männer angeboten würde, für trans Personen aber nicht. (Was in dem durch die Medien gehenden Fall von Jessica Yaniv nicht der Fall war.)
3) Da sind praktische Lösungen zu finden. Trans Kinder in der Schule … ist eh ein Thema für sich. Die Lehrkräfte müssen da gut mit dem betroffenen Kind und den Eltern zusammenarbeiten, um es zumindest in der Klasse gut zu kommunizieren und zu vermitteln. Es ist möglich das trans Kind zu fragen, welche Umkleide es lieber benutzen will und es kann geschaut werden, ob und wo das Kind besser aufgenommen wird und zurecht kommt (da sehe ich auch keine großen Unterschiede bei trans Jungen, trans Mädchen, nichtbinären und inter Kindern). Zur Not muss ein separater Raum gefunden werden oder die Umkleide der Lehrkraft wird sukzessive genutzt (die Lehrkraft ist sichtbar nicht in der Umkleide, wenn das Kind drin ist).
4) So ganz grundsätzlich kann das Gesetz dagegen relativ wenig tun. Dass in Zweifelsfällen eine Selbstaussage nicht genügt (z.B. wenn sie genau dann ausgesprochen wird, wenn z.B. eine Inhaftierung ansteht) … ist ja eher keine Sache des Gestzes selbst. Einfache Nachfragen im Umfeld können da schnell Klarheit schaffen. Das setzt eine gewisse Sicherheit im Umgang mit dem Thema trans voraus und ist keineswegs transfeindlich. Rassismusgeschultes Personal hätte in Rotherham sich gleichsam wohl eher nicht auf Angst vor Rassismusvorwürfen berufen können, um ignorant nichts zu tun.
Cis Männer, welche die Self-ID ausnutzen wollen, werden das tun. Genauso werden sich die meisten cis Männer, die Übergriffe begehen (wollen) sich die Mühe alle Versicherungen, Zeugnisse, … umschreiben zu lassen, … eher nicht machen. Und dann gibt es ja noch Fälle wie die von Malka Leifer … die so selten auch nicht sind. (Oder: Bei der Frage um Geschlechtertrennung und Schutzräume ist auch immer zu klären: Wie und für wen sind die wirklich sicher und was ignorieren wir? Ein paar Hinweise zu sexueller Gewalt im Dunkelfeld geben die Arbeiten von Laura Stemple (USA), deren Ergebnisse deutlich anders ausfallen als vielleicht erwartet würde.)
5) Da wäre auf die Erfahrungen in Argentinien, Belgien, Portugal, Island, Norwegen, Malta, … zu schauen. Ich wüsste nicht, dass da bürokratische Systemüberlastungen auftreten würde. Das Beispiel Argentinien dagegen zeigt recht gut, dass ein Self-ID-Gesetz die Lage von trans Personen nicht zentral verbessert, auch wenn es ein wichtiger Schritt ist.
Was auch ne Erfahrung ist (und sich damit deckt, dass Geschlechtsidentität ab 3-5 eigentlich fix ist), ist: Menschen, die meinen das tun zu müssen, wechseln i.d.R. einmal den Geschlechtseintrag. Wenige zwei Mal. Öfter ist es nicht … außer Konversionstherapien oder Ideologien funken dazwischen. Dazu ein Bericht von trans Mann Ky Schevers: https://aninjusticemag.com/detransition-as-conversion-therapy-a-survivor-speaks-out-7abd4a9782fa
Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Sicher, wir brauchen pragmatische Lösungen und nicht alles lässt sich über Gesetze lösen. Was ich von einem Selbstbestimmungsgesetz erwerte ist, dass es einen Rahmen steckt, in dem sowohl das körperliche Geschlecht wie auch die Geschlechtsidentität wertgeschätzt werden. Sex ist neben Class und Race eine der Hauptdiskriminierungsfaktoren. Und dabei geht es um die Diskriminierung von Babys mit Vulva (richtig, dazu gehören auch Interpersonen).
Irreführend ist, dass Interpersonen beides haben. Ja, es gibt Formen, die eine Vulva und einen Penis haben beziehungsweise eine so große Klitoris, dass sie als Penis gewertet wird. Penis und Klitoris wachsen aus dem gleichen embryonalen Gewebe.
Was nicht funktoiniert ist dein internationaler Vergleich. Das Gesetz in Argentinien mag so liberal sein, wie es will. Der Alltag für Transpersonen ist es außerhalb von Bueonos Aires nicht. Die meisten Morde an Transfrauen passieren in Südamerika. Im Vergleich dazu haben es Transpersonen in Deutschland paradiesisch. Anders als in den meisten Ländern werden ihre Hormone und geschlechtsangleichenden OPs von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. Denn das ist der Hauptgrund, warum in Argentien und anderen Ländern so viele Transfrauen in der Prostitution arbeiten.
Malta ist ein durch und durch patriarchales, frauenfeindliches katholisches Land und hat die strengsten Abtreibungsgesetze in der EU. Auch hier bitte mehr differenzieren.
Und in Staaten wie Indien, Pakistan oder Bangladesh leben Transmänner versteckt. Es darf sie nicht geben. Denn dort haben Frauen weniger Rechte als Hirijas (oder welches Wort auch immer für Menschen in männlichen Körpern mit weiblichen Outfits gebraucht wird).
Thailand im Übrigen differenziert sprachlich zwischen operierten und nicht-operierten Transpersonen.
Wir müssen genau hinsehen, fair bleiben, differenzieren.
Und du hast Recht: Wir können nicht alles per Gesetz lösen. Für die Sicherheit im Alltag von Transpersonen ist es viel wichtiger, die gesellschaftliche Akzeptanz zu stärken.
Vielen Dank für diesen ausgewogenen, um Ausgleich bemühten Beitrag. Ein Kommentar zu „3. Schule und Sport“. Ich bin Transfrau und hatte meine Transition 1991-94. 1989 trat ich in den lokalen Sportverein ein und benutzte Männerumkleide und -Dusche, erst nach der GaOp wechselte ich in die Frauenumkleide und -Dusche, da mich die Frauen ja noch als Mann erlebt hatten. Es gab Irritationen mit einigen Herren, die ich kommunikativ lösen konnte. Ab 1993 ging ich auch ins Fitness-Studio, an anderer Lokalität, und ging von vornherein stealth in die Frauenumkleide, ohne mich untenrum zu zeigen, auf die Dusche verzichtete ich. Da mein Passing ok war, habe ich nicht eine Irritation und also auch keine Beschwerden erlebt. Das 13jährige Transmädchen benutzt -ausser im Falle eines Schulwechsels – die Jungenumkleide, und dafür, dass es nicht gemobbt wird, ist das Lehrpersonal verantwortlich, und sollte es im Bedarfsfall mit kommunikativem Empowerment gefördert werden.
Vielen Dank für deine Erfahrungen und deinen wertvollen Beitrag. Wir brauchen pragmatische Lösungen, danke für deine. Eine Interperson, die ihr bei Geburt anoperiertes Geschlecht später wechselte, also ebenfalls transitionierte, erzählte, dass sie bei ihrer Arbeit zuerst weiter in der Männerumkleide war, bis ein Kollege, der sie nicht kannte, komisch schaute. Da war ihr klar, dass sie jetzt als Frau gelesen wird und wechselte in die Frauenumkleide.
Was die Lehrperson angeht: Sie kann ja nicht gleichzeitig in Jungs- und Mädchenumkleiden aufpassen. Und je nach Umfeld, steckt sie wirklich in der Zwickmühle. Das ist nicht an jeder Schule so. Von einer Freundin von mir weiß ich, dass an der Schule, an der sie arbeitet, Transjugendliche dort von ihren Klassenkamerad*innen sehr akzeptierend angenommen werden. Aber das ist ja nicht selbstverständlich.
Ich wollte einfach nur alltagspraktische Beispiele zeigen, die wir lösen müssen.
Dem Beitrag ist auf jeden Fall positiv anzurechnen, dass er sich um Ausgleich bemüht und verschiedene Seiten berücksichtigen will.
Sehr gelungen ist das „Glossar“, das versucht verschiedene Eben von Geschlecht aufzudröseln und die Unterscheidung von Geschlechterrolle, Geschlechtsidenität, Phänotypus hinbekommt.
>> Und hier kommen wir zu einer spannenden Frage: Warum streiten wir darüber, wann eine Frau eine Frau ist? Warum wird darüber gestritten, ob wir das Wort „Frau“ überhaupt noch verwenden dürfen? Und warum streiten wir nicht gleichermaßen über den Begriff „Mann“? <<
Das sind wichtige Fragen. Leider kippt ab da an etlichen Stellen das Framing und ich kann aufgrund eigener Erfahrung sagen: Vieles entspricht nicht den Lebensrealitäten von trans Männern, trans Frauen, nichtbinären und intergeschlechtlichen Personen. Argumentationen und Narrative aus transfeindlichen Kontexten nimmt der Text auf ohne sie als solche zu erkennen oder auszuweisen. Das ist insofern verstehbar, als dass der Status Quo nunmal nicht nur durch Misogynie geprägt sondern auch duch Cis- und Endosexismus. Und vieles, was am Status Quo hängt wird nicht hinterfragt, weil es als "normal" gelernt ist und damit Teil von Selbstverständlichkeiten. Benachteiligende und herabsetzende Narrative müssen immer erstmal als solche erkannt werden, ehe mensch sie loswerden kann. Die Voraussetzungen dafür sind alles andere als trivial. Einer der Fehler, die dieser Artikel reproduziert ist die Ansicht von cis Männern auf trans Frauen schließen zu können und von cis Frauen auf trans Männer.
Ich könnte mir vorstellen eine Antwort zu verfassen und als Gastbeitrag einzureichen, wenn ich die Zusage bekomme, dass eine Veröffentlichung zumindest grundsätzlich erwägt werden kann.
Dabei würde ich mein Wissen einbringen und aus meiner Perspektive (grayace/bi+, nichtbinär (amab)) schreiben und könnte evtl. den Text auch von Freund*innen (inter + nichtbinär (afab?), trans Mann, trans Frau) gegenlesen lassen. (Ich denke ich werde das Angebot nochmal per Mail einreichen. Ein kurzer Kommentar hier wäre aber auch nett.)
Ich würde den Text analog zu diesem hier aufbauen. Inhaltlich beantworten könnte ich: Warum stehen trans Frauen im Fokus? Bei der Differenzierung von Transgender und Transsexuell würde ich auf Transmedikalismus eingehen. Im Bezug auf das TSG ist zu erwähnen, dass alle! Personen, die ein Verfahren nach TSG abgeschlossen haben, rechtlich ihr Geburtsgeschlecht abgelegt haben und im Vergleich dazu einen "gegengeschlechtlichen" Geschlechtseintrag haben. Das TSG hat sein 1980/81 geklärt, dass trans Männer – nach Abschluss des Verfahrens – rechtlich Männer sind (analog bei trans Frauen). Den Stand der Wissenschaft zu Geschlechtsidentität generell und zur Biologie von Transgeschlechtlichkeit würde ich auch versuchen kurz darzustellen.
Der Hauptfokus läge … aber analog auf der "Sexistischen Verschiebung in der Transdebatte". Der ganze Abschnitt kommt weitgehend ohne das Mitdenken von Cissexismus und Endosexismus aus … und übersieht entsprechend, dass unter FLINT Personengruppen zusammengefasst werden, die von Misogynie (auf unterschiedliche Arten) betroffen sind. …
Magst du mir bitte genau erklären, wie du transfeindlich definierst.
Wenn jede abweichene Meinung bereits „feindlich“ ist, sind wir jenseits der Demokratie. In Moskau sind solche Praktiken gerade sehr en vogue.
Ich habe im vergangenen Jahr mit vielen Trans- und Interpersonen gesprochen, ebenso mit nicht-binären Menschen: Die Lebenswirklichkeiten dieser Menschen sind vielfältig, bunt, ebenso die Meinungen, Interessen und Wünsche an die Gesetzgebung.
Ich schließe auch nicht auf Sichtweisen von Menschen, egal ob cis oder trans. Ich thematisiere nur, dass es eine geschlechtsspezfische Sozialisation gibt. Das ist so.
Frage: Was weißt du über meine Geschlechtsidentität? Wieso urteilst du über meine Realität? Du kennst mich nicht.
Trag dein Erleben, deine Sichtweise gerne als Kommentar hier bei. Auch deine Freund*innen sind willkommen zu kommentieren. Bitte immer in Wertschätzung und Fairness.
Wenn du magst, stöbere gerne im Blog und auf der Website. Du wirst eine vielfältige Auseinandersetzung mit dem Thema finden, sogar eine Kunstausstellung.
Du kannst mir auch eine E-Mail schreiben. Es ist nur so, ich habe derzeit nicht einmal genug Zeit, meine eigenen Blogbeiträge zu schreiben, mach dir also nicht allzu viel Hoffnung. Nicht aus böser Absicht, sondern einfach aus Zeitgründen.
Liebe S-Dani, erlaube mir bitte noch eine Korrektur. Du schreibst: „Im Bezug auf das TSG ist zu erwähnen, dass alle! Personen, die ein Verfahren nach TSG abgeschlossen haben, rechtlich ihr Geburtsgeschlecht abgelegt haben und im Vergleich dazu einen „gegengeschlechtlichen“ Geschlechtseintrag haben.“ Das stimmt nicht.
Bis 2018 gab es keine andere Möglichkeit, als von einer binären Schublade in die andere zu springen. Mehrere Personen, die vor 2018 ihren Personenstand geändert haben, sagten mir, sie wären lieber „divers“, aber diese Möglichkeit gab es vor 2018 nicht.
Und seither kenne ich sehr wohl Personen, die von ihrem geburtsgeschlechtlichen Personenstand in den Personenstand „divers“, also nicht-binär, gewechselt sind, nicht nur Interpersonen, auch Transmenschen.
Auf Twitter begegnete mir gestern dieser offene Brief an Bundesfamilienministerin Lisa Paus, den ich hier gerne verlinke. Lesenswert, wertschätzend, differenziert: https://mama-arbeitet.de/standpunkt/kritik-selbstbestimmungsgesetz-lisapaus
LIebe Siggi, was für ein fantastischer Beitrag. Du hast es wirklich mal so aufgedröselt, so dass ich es jetzt besser verstehen kann. Ich hatte schon die ganze Zeit so „Bauchschmerzen“ bei den bitteren Diskussionen auf Twitter, wo frau ja ganz schnell in die TERF-Ecke gesteckt wird. Ich will das nicht.
Gleichzeitig dachte ich darüber nach, wie ich das finden würde, wenn in der Dusche im Schwimmbad, wo die Frauen immer sehr ungezwungen nackt duschen auf einmal ein Mensch mit Penis auftauchen würde und das Recht hätte, dort zu sein.
Die Vorschläge, die du machst, hören sich vernünftig an, wir sollten das zumindest durchdenken und besprechen, der Austausch ist ja wichtig.
Was für ein toller Beitrag! Danke danke danke für diese Stimme der Vernunft!
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