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Gendergerechte Sprache: Was soll das Gendern und wie geht es?

Gendergerechte Sprache - eine Bestandsaufnahme

Wir reden vom Gendern und meinen eigentlich das Gegenteil: Wir treiben der deutschen Sprache das Gender aus. Aber was meint gendergerechte Sprache und wozu soll das gut sein? Macht gendergerechtes Formulieren die Sprache kaputt oder sorgt es für mehr Gerechtigkeit in der Sprache? Wie schreibe ich gendersensibel, schön und lesbar? Darum geht es in diesem Blogartikel. // Update vom 18. März 2023

Gendergerechte Sprache Gendergerechte Sprache | Genderstern | Gendersternchen Sprache und Sprachwandel, Gendern

Was haben Genus, Gender und generisch miteinander zu schaffen?

Zum Verrücktwerden ist das: Nicht nur, dass niemand darauf Rücksicht nimmt, ob jemand ein kleines, ein großes oder gar kein Latinum hat. Da klingen die drei häufigsten Wörter im Zusammenhang mit der Debatte um gendergerechte Sprache auch noch irgendwie gleich, obwohl sie drei völlig verschiedene Sachverhalte beschreiben. Es wird Zeit, Ordnung zu schaffen:

  • Genus ist ein Begriff aus der Grammatik und bezeichnet das grammatikalische Geschlecht.
  • Gender ist ein Begriff aus der Soziologie und bezeichnet das soziale Geschlecht in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht (Sexus). Dahinter steckt der Gedanke, dass sich das Geschlecht nicht nur biologisch definiert, sondern auch gesellschaftlich konstruiert wird, und dass es mehr als nur die Standardvorstellung von Mann und Frau gibt.
  • Generisch ist ein Adjektiv und heißt verallgemeinernd.

Der Reihe nach:

Genus und Sexus in der deutschen Sprache

Im Deutschen haben wir wie im Lateinischen drei Genera und dazu drei Artikel: der, die und das. Wenn es sich um Gegenstände handelt, erfordert es ein tiefes Sprachwissen, um zu ergründen, warum es der Löffel, die Gabel und das Messer heißt.

Anders verhält sich das bei Menschen. Hier haben wir für Männer und Frauen eines Berufes, Standes, Ranges oder einer Rolle unterschiedliche Wörter:

Die Magd ist ebenso eine Frau wie die Zofe und die Königin. Während der Knecht, der Diener und der König Männer sind.

So lange die Rollen für Männer und Frauen klar verteilt waren, gab es hier kaum Probleme: Krankenschwestern und Sekretärinnen waren Frauen, Ärzte und Chefs waren Männer. Heilkundige Frauen waren ja bereits zu Beginn der Neuzeit zu Tausenden auf Scheiterhaufen verbrannt worden.

Nicht-binäre Menschen waren in dieser Welt nicht vorstellbar und nicht erlaubt. Wenn sie nicht umgebracht wurden, mussten sie sich für eine der beiden Schubladen entscheiden beziehungsweise, es wurde über sie hinweg entschieden. Und weil Frauen sowieso nichts zu sagen hatten, wurden sie dort, wo das Geschlecht nicht bekannt war oder es sich um gemischte Gruppen handelte, einfach hinter den Männern versteckt. Man war es ja gewohnt, dass die Frauen eine untergeordnete Rolle spielten, also wurden sich auch sprachlich so behandelt. So begann die Geschichte des generischen Maskulinums.

Das generische Maskulinum ist ein Begriff aus den 80er Jahren

Der Begriff generisches Maskulinum tauchte erst in den 80er Jahren im Deutschen auf. Und zwar als Kampfbegriff eines konservativen Linguistikprofessors (Peter Eisenberg, geb. 1940, inzwischen emeritiert) gegen feministische Bemühungen, deren prominenteste Vertreterin die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch (geb. 1944) ist. Pusch beschreibt ‚Das Deutsche als Männersprache“ und macht Vorschläge, wie dieses zu ändern sei.

Nun bin ich von der pragmatischen Sorte. Ich möchte Lösungen, schön und gendersensibel. Fakt ist ist schließlich, dass unsere heutige Gesellschaft eine andere ist als die in den 60er, 70er oder 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Und dafür brauchen wir Wörter, dies treffend und wertschätzend abzubilden. Das ist sprachlogisch für das Deutsche, das ja auch sonst eine sehr präzise Sprache ist.

Die generische, also verallgemeinernde Verwendung von Begriffen gibt es natürlich schon länger. Auch das generische Femininum, bei dem männliche Vertreter mitgemeint sind. Bei Krankenschwestern, Sekretärinnen oder Putzfrauen hat sich eine generische Verwendung nicht durchgesetzt. Das war Männern offenbar nicht zuzumuten, sich mitgemeint zu fühlen.

Kater dagegen müssen es bis heute erdulden, dass sie oft mitgemeint sind, wenn wir über Katzen reden. Anders ist dies bei Pferden. Hier haben wir ein drittes neutrales Wort. Von Hengst und Stute reden wir nur, wenn wir explizit das Geschlecht eines Pferdes ansprechen wollen. Wir haben sogar ein eigenes Wort für einen kastrierten Hengst: Wallach. Ähnlich beim Rind (Kuh, Bulle, Ochse, Kalb). Bei der Schlange oder dem Rotkehlchen gibt es in der Alltagssrpache nur ein Wort für alle.

Berufe, Titel und Funktionen in der deutschen Sprache

Genus-und-Sexus-Regel - tabellarische Darstellung

Für Berufe, Funktionen, Rollen oder Titel kennt die deutsche Sprache also traditionell unterschiedliche Wörter für Männer und Frauen. Das biologische und das grammatikalische Geschlecht stimmen dabei überein. Manchmal sind es ganz unterschiedliche Wörter. Meistens ist es ein Wortstamm mit unterschiedlichen Endungen.

Genus-Sexus-Ausnahmen-tabellearische Darstellung

Ausnahmen in der Genuszuweisung gibt es ebenfalls: Zum Beispiel bei das Mädchen oder das Männlein oder die Mannschaft und der Frauenfußball. Der Grund für diese Ausnahmen: Die Endung fordert in diesen Fällen ein bestimmtes Genus – chen und –lein wollen DAS, -schaft will DIE und –ball DER, ganz egal, um welches biologische Geschlecht es sich handelt.

Wir haben auch ein paar seltsame Wörter, wie zum Beispiel Herrin. Nicht zu verwechseln mit der Dame. Eine Herrin muss keine Dame sein und einer Dame fehlt die Macht einer Herrin. Die Herrin klingt zudem wesentlich dominanter als der Herr, der eher elegant daherkommt. Aber wir kommen vom Thema ab.

In der deutschen Sprache zwingt mich die Grammatik, bei Personenbezeichnungen in der Regel, ein Geschlecht zu markieren. Was fehlt, ist ein Gattungsbegriff, der den Beruf, die Funktion oder Rolle beschreibt, ohne ein Geschlecht zu nennen.

Ebenso fehlen Wörter für Menschen, die im Personenstand das Geschlecht ‚divers‘ eingetragen oder den Geschlechtseintrag gestrichen haben. Oder für Menschen, die sich als nicht-binär identifizieren. Diese Konzepte von einem Geschlecht jenseits von Mann und Frau sind noch sehr jung. Seit 2013 darf bei intergeschlechtlichen Kindern der Geschlechtseintrag offen gelassen werden. Seit 2019 gibt es den Eintrag ‚divers‘.

Was also tun?

Wie kann ich gendergerecht, verständlich und schön gleichzeitig schreiben?

Der Blogbeitrag soll ja Hilfestellung sein, wie du schön, gendersensibel und verständlich gleichermaßen schreiben kannst.

1. Sage niemandem, was er*sie fühlen soll.

Denn anderen zu sagen, was sie fühlen sollen, ist übergriffig. Wir alle wollen in unserem Sosein gesehen und wertgeschätzt werden. Wertschätzung zeige ich auch mit meiner Sprache. Wie du siehst, habe ich hier den Genderstern verwendet. Aus meiner Sicht erzeugt er neue Wörter. Neben den bekannten Pronomen für Männer „er“ und Frauen „sie“ erzeugen wir also ein drittes neues Pronomen, das für alle Geschlechter steht. Bisher gibt es in der deutschen Sprache eine Vielfalt von Neopronomen, ohne das klar wird, welches sich durchsetzen kann. Im Englischen hat sich ‚they‘ klar durchgesetzt.

Der Stern kommt jedenfalls dort zum Einsatz, wo das Geschlecht des Menschen unbekannt ist oder es sich um gemischte Gruppen handelt. Statt des Sterns verwenden manche auch den Genderdoppelpunkt oder die Gendergap, die im Grunde die gleiche Bedeutung haben. Welches Zeichen jemand bevorzugt, ist Geschmackssache. Wenn es um Barrierefreiheit geht, gewinnt der Stern vor den anderen Sonderzeichen.

2. Denke nach, was deine Worte bewirken.

Nachdenken, was du sagst, solltest du sowieso immer tun, nicht nur beim Thema gendergerechte Sprache. Hinter guten Texten steckt oft viel Arbeit. Schnell hinausposauntes Zeugs dagegen enthält oft die Erwartung, dass die Person verstehen wird, was ich meine, auch wenn ich mich unklar ausdrücke. Genau das passiert nicht. Niemand kann in deinen Kopf schauen und deine Gedanken lesen. Sag also konkret, was du meinst und meine nicht irgendetwas und sage etwas anderes. Selbst bei guter und konkreter Sprache gibt es noch genug Missverständnispotenzial. Achte also auf deine Worte.

3. Denk nach, bei welchen Begriffen Gendern relevant ist.

In der Genderdiskussion stehen Wörter, in denen ein sprachlicher Verweis auf das biologische Geschlecht enthalten ist. Wie dringend dieser Änderungsbedarf ist, hängt davon ab, wie nah am Menschen ein Wort ist. Zum Beispiel: Eine Professorin auf dem Podium kann nur eine Professorin sein. Der Sabine ist ebenso falsches Deutsch wie die Markus. Wenn Berufsbezeichnungen und Funktionen allgemein benannt werden, erscheint der Mensch dennoch recht deutlich vor dem geistigen Auge. Auch hier ist Gendersensibilität empfehlenswert.

Wir suchen einen Elektriker ruft einen Mann ins Gedächtnis. Wir suchen eine Elektrikerin lässt uns eine Frau vorstellen. Wir suchen einen Elektriker oder einen Elektriker erzeugt gleichberechtigt Bilder von Männern und Frauen. Wir suchen eine Elektriker*in zeigt, dass es um den Beruf geht, egal, ob sich die Person männlich, weiblich oder nicht-binär identifiziert.

Ob das auch noch gilt, wenn eine maskuline Bezeichnung Teil eines Wortes ist, welches einen Gegenstand beschreibt, darüber lässt sich streiten. Ich sehe es pragmatisch: Dort, wo es schöne und einfache Alternativen gibt, machen: zum Beispiel Redepult statt Rednerpult oder Gehweg statt Fußgängerweg oder Medizinkongress statt Ärztekongress. Aber ich finde, man sollte hier nicht päpstlicher sein als der Papst. Also keine Verrenkungen und Übertreibungen.

4. Neutrale Wörter haben keinen Genderbedarf.

Dort, wo in der Sprache kein Gender vorkommt, brauchst du auch nichts zu verändern: Das Mitglied ist ebenso genderneutral wie der Mensch und die Person. Gleiches gilt für: das Opfer, die Geisel oder die Figur. Oder für die Leute, das Publikum, die Belegschaft. Diese Neutralität kannst du geschickt herstellen, indem du neutralisierende Techniken verwendest: Denn Wörter auf –kraft, -enz und -ung sind in der Regel genderneutral, deswegen reden wir heute von Reiningungskräften und Krankenpflegekräften, wenn Männer mitgemeint sind, nicht von Putzfrauen oder Krankenschwestern. Dies gilt doch ebenso für Führungskräfte und die Personen im Aufsichtsrat oder Management, nicht wahr?! Die Partizipien (Studierende, Beschäftigte) funktionieren hervorragend im Plural. Im Singular nicht, weil der Artikel ein Geschlecht markiert.

5. Schreibe abwechslungsreich.

Ein Himmel voller Sterne mag super sein für romantische Nächte. Wenn ein Text mit Sternen überfüllt ist, stört dies den Lesefluss. Sparsam eingesetzt dagegen werden Gendersterne flüssig mitgelesen, verstanden, zur Gewohnheit und als normal empfunden. Nur zu viele auf einmal sind störend. Das gilt aber für andere Phänomene der Sprache genauso. Immer die gleiche Satzstruktur oder das Wiederholen der gleichen Wörter stören ebenfalls den Lesefluss.

Schreibe also abwechslungsreich und stelle deine Inhalte in den Mittelpunkt. Suche entweder nach Lösungen, die ohne biologisches Geschlecht auskommen. Oder, wenn du ein Gender benennst, mach es konkret. Sag also was du meinst und meine, was du sagst: Wenn du Männer meinst, benenne Männer. Wenn du alle meinst, benenne alle. Dabei helfen dir kreative Ableitungen vom Verb oder der Sache, statt von der Person sowie konkrete Beispiele.

6. Bleib entspannt. Sprachwandel ist Teil des gesellschaftlichen Wandels

Nur tote Sprachen ändern sich nicht (mehr). Und es ist ganz normal, dass einem manche Teile des Sprachwandels besser gefallen als andere. Geht mir auch so. Es gibt Wörter, die kommen mir nicht über die Lippen, außer, wenn ich über sie lästere. Andere Veränderungen passieren unmerklich. Und wieder andere reflektiere ich bewusst und entscheide mich. Im Fall gendergerechter Sprache habe ich mich entschieden, aktiv nach sprachschönen und sprachlogischen Lösungen zu suchen, diese lernbar zu machen und weiterzugeben. Denn schöne Sprache muss nicht diskriminieren.

Das Schöne am Sprachwandel ist: Am Ende setzen sich die sprachlichen Lösungen durch, die von vielen Menschen als praktikabel und passend empfunden werden.

Wie spreche ich den Genderstern?

Eine solche Lösung scheint der Genderstern zu sein. Es ging mir selbst so, als er mir 2018 mitten im Geschrei über ihn erstmals über den Weg lief. Das Binnen-I mochte ich nie, weil ich Versalien, also Großbuchstaben, im Wort als sehr störend empfinde. Wenn ich ein Zeichen brauchte, benutzte ich den Slash-Strich. Aber ich vermied beide, so gut es ging. Das änderte sich mit dem Genderstern. Der fügte sich harmonisch und schön in das Satzgefüge und den Text ein. Und so zog er in meinen Sprachgebrauch und wurde schnell heimisch. Sogar in der gesprochen Sprache gelingt mir das immer flüssiger.

Anfangs klang es komisch in meinen Ohren, wenn Dozierende an der Universität den Stern sprachen. Doch offenbar gewöhnte sich mein Gehör sehr schnell an die kleine Sprechpause, die alle einschließt. Und als ich bei einem Professor in der Vorlesung saß, der den Glottislaut nicht sprach, sondern das generische Maskulinum verwendete, fand ich das komisch, altbacken, seltsam. Es ist also viel Gewohnheit im Spiel.

Wie wird er denn nun gesprochen, der Genderstern, auch der Genderdoppelpunkt oder die Gendergap?

Gesprochen wird der Genderstern mit einer kleinen Sprechpause. Du kennst sie von Wörtern wie mäandern oder beeilen. Genauso sprichst du auch Ärzt*in oder Kund*in. Zum Üben: Der gesprochene Unterschied zwischen Ärztin und Ärzt*in ist der gleiche wie zwischen verreisen und vereisen.

Ärzt und Kund gibt es nicht – oder doch?

Ärzt und Kund gibt es nicht, schreien manche auf. Das kann man so sehen. Man kann es aber auch anders sehen.

Lesart 1: Wenn wir den Begriff mit Stern als Verkürzung begreifen, wie bei Klima- und Nachhaltigkeitsbericht, dann dürfen wir tatsächlich nur buchstabengleiche Wortteile weglassen (Weglassprobe).

Lesart 2: Wenn wir den Begriff mit Stern als neues, eigenständiges Wort begreifen, als den fehlenden Gattungsbegriff, dürfen wir tiefenentspannt auch Ärzt*in, Bäuer*in, Kund*in und Kolleg*in mit Sternchen gendern. Bei ärztlich, bäuerlich oder kollegial und Kundschaft regt sich schließlich auch niemand auf.

Und noch etwas: Wenn es sich bei den Begriffen mit Stern um eigenständige Wörter handelt, brauchen die ein eigenständiges Genus. Ich verwende das Femininum, weil es sich phonetisch anbietet und weil es einfacher zu deklinieren ist, als das Maskulinum. Schließlich sind wir Einwanderungsland und Deutsch ist schwer genug, wir müssen es nicht noch schwerer machen.

Nur offiziell ist das halt vom Rat für deutsche Rechtschreibung (noch) nicht abgesegnet. Aber nur, weil etwas nicht im Regelwerk aufgenommen ist, ist es nicht falsch. Es ist nur nicht geregelt.

Sprachwandel ist auch nur ein Changethema

Wer jetzt immer noch glaubt, gendergerechte Sprache mache die schöne Sprache von Goethe und Schiller kaputt, der möge doch bitte einen Briefwechsel der beiden vom Ende des 18. Jahrhunderts im Original lesen. Falls du problemlos verstehst, was die beiden sich zu sagen haben, Chapeau. Diese Sprache ist nämlich so anders von unserem heutigen Deutsch, dass sie nur noch schwer zu verstehen ist. Die meisten dürften schon bei Erich Kästners Emil und die Detektive im Original von 1929 Schwierigkeiten haben. Denn damals waren viele Konjunktive gebräuchlich, die inzwischen aus der Sprache verschwunden sind.

Sprachwandel ist also ebenso real wie Digitalisierung. Das können wir gut finden oder nicht. Wenn wir uns aber verweigern und so tun, als lebten wir 1980, als das Internet noch ein großes Geheimnis für wenige Eingeweihte war und als es Männern in der BRD und bis 1997 im wiedervereinigten Deutschland erlaubt war, ihre Ehefrauen zum Sex zu zwingen, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn uns die Wirklichkeit einholt und überrollt.

Gendergerechtigkeit ist für Männer, Frauen und alle, die sich der binären Zuordnung entziehen, gleichermaßen relevant. Denn sie bricht auf der sprachlichen Ebene mit traditionellen Bildern in unseren Köpfen. Sie gibt uns die Chance, unbewusste Vorurteile – oder Unconscious Biases – bewusst zu machen und zu reflektieren. Denn wir wollen doch alle Menschen wertschätzen und unseren Söhnen, Töchtern und denen, die sich dieser Zuordnung verweigern, gleichermaßen ermöglichen, sie selbst sein zu dürfen.

Natürlich schaffen wir mit Worten alleine weder Gehaltsunterschiede noch Vorurteile ab. Aber es geht auch nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.

Abschließend ein Bonmot: Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal. (Quelle unklar: viele behaupten Talmud, die Jüdische Allgemeine sagt, Urheber sei der englische Schriftsteller Charles Reade, 1814–1884).

In diesem Sinne! Lasst uns kreativ nach Lösungen suchen, damit Sprache leisten kann, was sie soll: Uns über unser Erleben der Wirklichkeit und unsere Bedürfnisse austauschen. Das Deutsche bietet hierfür eine Menge Potenzial.

Weiterführende Infos und Links:

Und falls du mehr zum Thema Geschlecht, Gender und Stereotype wissen willst: Dazu habe ich ein ganzes Buch geschrieben.

Bildnachweis: pixabay, coffee bean und eigene Bearbeitung

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9 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. dies ist wohl ein heikles Thema, welches uns -trotz des ausgesprochenem Verbots von Herrn Söder noch eine Zeit lang begleiten wird.
    In den Medien und Nachrichten hört man jeden Tag die Gendersprache und das ja auch in Bayern, obwohl nun ein Verbot in allen bayrischen und staatlichen Einrichtungen bzw. Behörden herrscht. Im Rest des Landes bleibt es (noch?) wie bisher – ich verstehe den Sinn nicht wirklich und kann nur mit dem Kopf schütteln.
    Für die Betroffenen ist das auch ne Berg- und Talfahrt.

    Antworten

  2. Hier wird das Übel aber nicht an der Ursache gegriffen. Ursache ist, dass es neben einer generischen Form eine rein weibliche gibt, aber keine rein männliche und auch keine Form für eines der diversen anderen Geschlechter.

    Statt diese Problematik nun anzugehen, soll diese Diskrepanz so bleiben wie sie ist und weiter ausgebaut werden, indem die weibliche Endung zur allgemeinen Endung ausgebaut und auch für diese genutzt wird.

    Das wird das Ungleichgewicht nicht lösen, es wird es nur weiter verstärken. Das wird keinen Frieden schaffen.

    Sinnvoller wäre es, das Problem an seiner Ursache zu greifen: Abschaffen der Sonderformen. Wenn es die Worte Ärztin und Ärztinnen nicht gibt, sondern nur Arzt und Ärzte, kommt erst gar nicht die Frage auf, welches Geschlecht ein Arzt denn wohl hat.

    Verdeutlichung der Problematik hier am artikelbezogenen Beispiel:
    -e, wenn ein Mann gemeint ist
    -in, wenn eine Frau gemeint ist
    -*in in allen anderen Fällen

    Lassen wir das mal so stehen, könnte man ja auch genauso gut sagen:
    -e, wenn ein Mann gemeint ist
    -in, wenn eine Frau gemeint ist
    -*e in allen anderen Fällen

    Wäre das auch ok oder dämmert es, was hier an „*in“ problematisch ist?

    Rein logisch spricht nichts dagegen, die „dritte Form“ völlig anders zu gestalten und gerade eben _nicht_ am Feminin auszurichten. Nein, man muss das sogar, wenn man fair sein will, denn es an einem Geschlecht auszurichten ist das genaue Gegenteil von Gleichberechtigung/Gleichstellung!

    Ich habe diese Frage überzeugten Befürwortern des Genderns gestellt und ausnahmslos Ablehnung erfahren. Denn es steht fest: Man will gar keine gerechte Lösung. Man will sein Ego durchsetzen. Die Debatte wird emotional geführt, nicht sachlich. Und das führt zu einem Ergebnis, das nicht zufriedenstellen und auf Dauer bestehen wird, sondern das selbst falls es sich durchsetzt, weiter behandelt wird, bis es eine neue Lösung geben wird. Geben muss.

    Hätte man Märkel zum Bundeskanzler gewählt, würde heute wohl kaum einer beim Bundeskanzler strikt an einen Mann denken. Wir aber schaffen lieber die Bundeskanzlerin. Wir wollen es so. Die Briten sind da weiter. Es gibt keine Prime Ministress und unter Prime Minister versteht wohl kaum ein Brite ein spezifisches Geschlecht. Wir Deutschen vertun diese Chance. Und werden das wohl erst erkennen, sobald es die erste person in dem Amt gibt, die sich weder als Bundeskanzler noch als Bundeskanzlerin identifiziert. Das wird tatsächlich passieren, bevor es eine Lösung gibt, so festgesessen sind die aktuellen Meinungen dazu.

    Ach und wie schön, dass sich von diesem Text nur Männer und keine Frauen angesprochen fühlen – schließlich habe ich ja nur diese mit der hier gewählten vermeintlich maskulinen Form angesprochen. Nicht wahr!?

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    • Vielen Dank für Ihren ausführlichen Beitrag.
      40 Jahre Forschung zur Semantik belegen, dass die generische Absicht an der Semantik scheitert, das hat nichts mit Merkel zu tun.
      Sprache entwickelt sich immer aus Ihrem Gebrauch. Radikale Umstellungen funktionieren nicht. Daher mag es in der Theorie zwar nachvollziehbar sein, wenn es der Elekektrike, die Elektrikerin und das Elektrik heißt, es ist aber so fremd für die Menschen, dass es sich nicht durchsetzen wird.
      Im Englischen ist es sehr wichtig, genderneutral zu sprechen. Weil Englisch eine andere Grammatik-Struktur hat, sind die Wege andere. Normal.

      Antworten

  3. „ Und weil Frauen sowieso nichts zu sagen hatten, wurden sie dort, wo das Geschlecht nicht bekannt war oder es sich um gemischte Gruppen handelte, einfach hinter den Männern versteckt. Man war es ja gewohnt, dass die Frauen eine untergeordnete Rolle spielten, also wurden sich auch sprachlich so behandelt. So begann die Geschichte des generischen Maskulinums.“
    Äh ja. Ich lasse das mal als These so stehen, wobei mir diese sehr von der Ideologie geprägt zu sein scheint. Man könnte es viel einfacher sehen: Wenn ich vom Lehrer in der Schule rede, ist es mir völlig egal, welches Geschlecht diese Person haben mag, weil ich nicht zwanghaft vom Artikel auf das Geschlecht schließe. Diese Zuschreibung, der Lehrer müsse männlich sein, kam ja erst durch die feministische Sprache auf.

    „Für Berufe, Funktionen, Rollen oder Titel kennt die deutsche Sprache also traditionell unterschiedliche Wörter für Männer und Frauen. Das biologische und das grammatikalische Geschlecht stimmen dabei überein. Manchmal sind es ganz unterschiedliche Wörter. Meistens ist es ein Wortstamm mit unterschiedlichen Endungen.“
    Das stimmt leider nicht:
    – Der Müller war der Besitzer der Mühle. Die Müllerin seine Frau. Das ist auch ein Bedeutungsunterschied.
    – Das Phänomen, dass Frauen mit der movierten (grammatikalisch femininen) Form genannt werden möchten, ist so alt nicht. Von traditionell kann keine Rede sein. In der DDR war es normal, dass Frauen auch als Arzt, Dreher und Lehrer bezeichnet wurden. Es gibt durchaus Indizien dafür, dass die Gleichberechtigung dort trotzdem (oder deswegen?) weiter fortgeschritten war.
    – meist haben wir nicht einen Stamm mit verschiedenen Endungen, sondern einen Basisbegriff, an den eine Endung angehängt wird, um die weibliche Form zu erhalten.

    „deswegen reden wir heute von Reiningungskräften und Krankenpflegekräften, wenn Männer mitgemeint sind, nicht von Putzfrauen oder Krankenschwestern.“
    Interessant, dass es für Männer akzeptabel ist, wenn sie „mitgemeint“ sind. War das nicht das Hauptargument gegen das generische Maskulinum?

    „Sag also was du meinst und meine, was du sagst: Wenn du Männer meinst, benenne Männer. Wenn du alle meinst, benenne alle.“
    Bis vor 40 Jahren kamen Frauen in unserer Sprache demnach nicht vor (außer als Ehefrauen, s.o.)? Wenn man aufhören würde, überall ein Geschlecht hineinzuinterpretieren, wäre das Problem, gelöst.
    Zur unterstellten Uneindeutigkeit des generischen Maskulimums: Wenn jemand bei Verwendung des generischen Maskulinums sagen möchte, dass wir mehr männliche Erzieher brauchen, wird er das genauso sagen.

    Zum Schluss würde mich noch brennend interessieren:
    Warum ist der Mensch neutral? Was unterscheidet ihn von dem Bürger? Wieso sind Sie bei dem einen in der Lage, sich angesprochen zu fühlen, bei dem anderen aber nicht?

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    • Vielen Dank für Ihren Kommentar.
      Zur historischen Entwicklung und Bewertung von Geschlecht in der deutschen Grammatik lesen Sie bitte Ursula Doleschal (Professorin der Linguistik): Das generische Maskulinum im Deutschen. Ein historischer Spaziergang durch die deutsche Grammatikschreibung von der Renaissance bis zur Postmoderne, Link: https://www.researchgate.net/publication/26402386_Das_generische_Maskulinum_im_Deutschen_Ein_historischer_Spaziergang_durch_die_deutsche_Grammatikschreibung_von_der_Renaissance_bis_zur_Postmoderne
      Mit historisch meine ich nicht die DDR, sondern die gesamte Sprachentwicklung. Und daran erkennen sie, dass es zum Beispiel im Mittelalter gänzlich unüblich war, eine männliche Bezeichnung für eine Frau zu verwenden.
      Richtig ist, dass in der DDR viel dafür getan wurde, damit Frauen arbeiten. Allerdings blieb auch dort die Hausarbeit und Kinderbetreung an den Frauen hängen.
      Bei der Sprachwahrehmung geht es nicht darum, willkürlich etwas zu interpretieren. Das erfolgt unbewusst. Die unbewusste Wirkung des Maskulinums ist inzwischen hinlächlich erforscht und belegt. Dazu kommt: Weder kleine Kinder noch KI können diese Doppeldeutigkeit interpretieren.
      Warum der Mesnch neutral ist, nun ja, weil das die Sprachgemeinschaft von mehr als 100 Millionen Deutschsprechenden so entschieden hat, eben so die Person.
      Das Kind ist bereits durch den Artikel sächlich, ebenso das Mitglied.
      Irritierend ist es aber, weshalb wir das Mädchen sagen und es versachlichen, aber der Junge/Bube. Wir könnten ja auch das Jungchen sagen oder einfach das Junge. Hier ist eien patriarchale Verschiebung. In manchen Dialekten wird sogar die erwachsene Frau versachlicht.

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